Startseite › Foren › Kulturgut › Für Cineasten: die Filme-Diskussion › Inglourious Basterds › Re: Inglourious Basterds
Sonic Juice“Königlich amüsiert“ und „lustig“ finde ich als Resultat etwas mager und irreführend in Bezug auf die Geschichte von Shosanna Dreyfus, die ich als wichtigsten Charakter des Films begreife. Es wäre sogar sehr traurig, wenn Du den Film aufgrund von Figuren wie Pitt und Schweiger als reinen „Comic“ auffasst.
An diesem Punkt verdeutlicht sich auch nochmal das in der vorherigen Diskussion angesprochene Problem (bzw. die Eigenheit) des Films, dass da eben je nach Erzählstrang (@latho: ob das jetzt 2 oder mehr sind, ist ja nicht so entscheidend) ganz unterschiedliche Tiefgänge angestrebt werden und nebeneinander herlaufen und dieses Nebeneinander offenbar dazu führt, dass auch ein solcher Gesamteindruck hängen bleiben kann, der dem Film m.E. nicht gerecht wird.
Tja, dann muss ich dich wohl traurig machen … Ich habe durchaus bemerkt, dass die Geschichte von Shosanna anders erzählt wird als die der Basterds, aber ich kann nicht diesen „tiefen Graben“, diesen extremen Unterschied, den ihr seht, nachvollziehen. Ich finde, dass Tarantinos Film aus großartigen Einzelszenen besteht, dass sich aber im Ganzen keine „tiefgründige“ Geschichte oder beeindruckende Charaktere ergeben. Die vorher angesprochene „Zerrissenheit“ sehe ich nicht so deutlich.
Was mich an diesem Film fasziniert hat, war, dass er auf wundervoll respektlose Weise eine große Anzahl an Filmklischees auf den Kopf stellt. Die Indianer sind die Guten und edelmütig? Hier sind sie die Indianer zwar die Guten, aber leider furchtbar tumb. Die „Bösen“ sind unzivilisiert und ungebildet und abscheuliche Monster, so dass das Publikum sich nicht eine Sekunde fragen muss, auf welcher Seite es bitte schön zu sein hat? Hier haben die Nazis formvollendete Manieren (nun ja, Goebbels nicht wirklich, aber sei’s drum), sind gebildet und sogar in gewisser Weise sympathischer als die amerikanische Truppe … Die Juden sind die Opfer, die passiv leidenden? Hier schlagen die Juden zurück, bringen Vernichtung und lachen ihre Peiniger von der Leinwand runter aus. Schön auch der Twist, dass Shosanna praktisch doppelt verfolgt ist: einerseits als Jüdin, andererseits als Frau, die sich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgesetzt sieht, denn Zoller stellt ihr ja aus einer Position der Macht hinterher.
Nun ja, also all das hat mir gut gefallen. Die Szene, die sich mir am tiefsten eingeprägt hat, war die im Restaurant, in dem Landa seinen Strudel futtert, während Shosanna danebensitzt und jeden Muskel anspannt. Und dann ihr kleiner „Zusammenbruch“, als Landa endlich weg ist. Aber reicht das, um eine Figur als „zerrissen“ zu charakterisieren? Landa ist ein Sadist, der über gute Manieren verfügt, und Zoller ist ein Lüstling, der über gute Manieren verfügt. Shosanna ist eine Jüdin, die sich nicht in ihr Schicksal fügt, sondern aktiv tätig wird. Reicht das, um eine Figur als „zerrissen“ zu charakterisieren?
Ich finde, dass Tarantino mit seiner Charakterzeichnung oberflächlich und plakativ bleibt. Dennoch habe ich mich großartig amüsiert, eben genau wegen des angesprochenen respektlosen Umgangs mit den Filmklischees. Ich find den Film toll, auch wenn ich ihn nicht als tiefgründig empfinde.
--
C'mon Granddad!