Re: Die besten & schlechtesten Albenjahrgänge

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nail75

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Dick LaurentEben, das dachte ich mir. Das liegt nunmal in unserer komplett unterschiedlichen Herangehensweise und Beschäftigung mit der Musik begründet.

Ich meine sowas wie: „Echo & The Bunnymen“ von ’87 ist mein liebstes Album von ihnen, aber wenn ich es mit dem restlichen Output der Band vergleiche, dann ist selbst mir klar, dass es nicht ihr bestes Album ist. Damit eine Liste und Besternung aber irgendeinen vergleichenden Wert hat (wir wollen doch eigentlich hier andere Argumente hören als „ich mag XYZ aber lieber!“), dürfte ich diesem Album also keine 5* geben – sonst zweifelt ein unbedarfter Leser ja an meinem musikalischen Bewertungskosmos.

Richtig. Ich liebe einige Alben von Jan Garbarek sehr, würde denen aber auch keine ***** geben, weil mir bewusst wird, dass man viel gegen die Musik einwenden kann und weil sie auch für mich nachvollziehbare Schwächen haben. Trotzdem mag ich sie sehr und würde sie nicht missen wollen. Das ist keine Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv (der Mensch ist immer subjektiv), sondern lediglich das Bewusstsein um die Relativität des eigenen Urteils.

tugboat captainWenn es okay ist, würde ich gerne ein paar rechenferne Gedanken einbringen: Ich finde es relativ schwer, Jahrgänge nach ihrem Gehalt zu listen, wenn ich selbst nicht anwesend war. Mag das Jahr (z.B.) 1968 noch so viele Fünfsterner hervorgebracht haben, vielleicht sogar mehr als jedes andere, ich kann mir über den damaligen Zeitgeist nicht wirklich schlüssig sein, habe gewisse Entwicklungen nicht mitgemacht, etc., etc. Für mich bedeuten starke Alben-Jahrgänge auch, dass ich mittendrin war, mir die aktuellen Alben zu dem Zeitpunkt gesichtert habe, als sie erschienen sind und das nach und nach eine Entwicklung vollzogen wurde. Selbst wenn es über das eigentliche Jahr hinaus geht. Über 1968 weiß ich zwar einiges, kann mir nach eigenen Studien auch ungefähr ein Bild machen, aber ein wirkliches Gefühl von „1968“ werde ich nie herstellen können.

Ich habe schon seit längerem den Eindruck, dass die Bedeutung des „Miterlebens“ hier im Forum massiv überschätzt wird. Darauf haben diejenigen, die 1968 (beispielsweise) miterlebt haben übrigens schon mehrfach hingewiesen. Man hat das keineswegs so eindeutig empfunden, wie es heute erscheinen mag, alles war verwirrender und ungeordneter. Im Rückblick vereinfacht sich eben manches. Auf das „Zeitgefühl“ von Individuen würde ich nichts geben. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man 1968 in Freising oder in Berlin war und dennoch haben beide das Jahr erlebt. Mit anderen Worten: Das was Du heute mit 1968 verbindest, muss mit der Erfahrung von 70% der Jugendlichen, die das Jahr erlebt haben, nichts zu tun haben. Nur im Nachhinein wurde klar, dass sich etwas verändert hat.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.