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Nach einigen Hördurchgängen steht für mich bereits eines fest: Mit „That Lucky Old Sun“ ist Brian Wilson sein bisher wohl bestes Soloalbum gelungen; krankten dessen Vorgänger, „Presents SMiLE“ ausdrücklich ausgenommen, trotz zumeist hervorragenden Song-Materials doch häufig an Produktion, der Einmischung Dritter und Vierter, Selbstplagiarismus und -bedienung.
Das Debüt litt unter der Last zu vieler Kollaborateure und der Unausgewogenheit des Materials, das über weite Strecken phantastische „Sweet Insanity“ blieb unverständlicherweise ebenso unveröffentlicht wie ein Großteil der überagenden Tracks, die Brian zusammen mit Andy Paley (und z.T. den Beach Boys) Mitte der Neunziger ersann und aufnahm, das ziemlich keimfreie „Imagination“ geriet kohärenter als „Brian Wilson“, freilich ohne dessen Höhepunkten („Love And Mercy“, „Melt Away“, „Rio Grande“) etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen, „Gettin‘ In Over My Head“ schließlich glich einer künstlerischen Bankrotterklärung, speiste sich das Album doch weitestgehend aus dem Wilsonschen Fundus (siehe „Sweet Insanity“, „Paley Session“), ohne einen in sich geschlossenen Eindruck zu hinterlassen oder gar früheren Aufnahmen der selben Songs ansatzweise gerecht zu werden.
Der erste Hinweis darauf, dass Brian und die erweiterten Wondermints die Spielfreude, die sie auf den Bühnen seit ca. 2004 ausstrahlen, auch im Studio bannen können, war ausgerechnet auf einem Weihnachtsalbum, „What I Really Want For Christmas“, zu finden, dass neben einigen mehr oder minder inspirierten Interpretationen saisonaler Standards zwei eigene neue Tracks enthielt, das Titeltück und „Christmasey“, welche kompositorisch und durch ihre – durchaus petsoundesken – Arrangements, fast schon einer Genesung des Genies gleichkamen.
In dem neuen Werk nun die Erfüllung einer von falschen Entscheidungen und uneingelösten Verheißungen geprägten Solo-Karriere zu sehen, wäre ebenso verfehlt wie dem Album die Bürde einer wie immer gearteten kreativen Wiedergenesung aufzuerlegen.
Dennoch: Mit „That Lucky Old Sun“ ist Brian Wilson ein großer konzeptioneller Wurf gelungen; ausgehend von Gillespies und Smiths Standard, der immer wieder angespielt wird, in eine Coda einfließt oder als vokaler Kontrapunkt fungiert, zeichnet er, teils in Form von musikalisch herrlich untermalten Rezitativen, seinen eigenen Werdegang und den ganz Kaliforniens nach. Dieses Panorama gerät kaum weniger farbenfroh als „SMiLE“, zeigt Brian stimmlich allerdings in beinahe noch besserer Verfassung. Von den größtenteils tatsächlich neuen Songs ragen für mich „Morning Beat“, „Good Kind Of Love“, die Reminiszenz „Forever She’ll Be My Surfer Girl“, „Going Home“ und im Besonderen „Midnight’s Another Day“, eine Ballade mit einer Dramaturgie, die in Brians Solo-Kosmos ihresgleichen sucht, heraus. Inter pares.
Danke, Brian.
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