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MikkoTatsache ist, dass sich diese Musiker selbst wie eigentlich alle ihrer Generation explizit auf angloamerikanische Vorbilder beziehen. Das Neue bei ihnen ist lediglich die Verwendung der Muttersprache auf mal mehr mal weniger gelungene Art und Weise.
Warum es nun hierzulande keine Bands wie The XX oder Animal Collective, keine Massive Attack aber auch keine Oasis oder Blur gibt, ist eigentlich gar nicht so schwer zu erklären. Es fehlt hier einfach der Humus, das Umfeld, die Szene, in der solche Musik gespielt wird und entsteht. Und es fehlen die Musiker, die konsequent ihr Ding durchziehen wollen, die ihre Musik in den Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns stellen. Wer so etwas auch noch mit 25 macht, gilt hier schon als gescheiterte Existenz.
Die jüngeren deutschen Pop- und Rockmusiker treten zwar inzwischen durchaus selbstbewusster auf, aber ihre Musik ist m.E. nach wie vor wenig eigenständig, wenn man von den Texten mal absieht. Wenn da wirklich etwas Neues, Eigenes entstanden ist, wie von Sokrates etwa behauptet, dann ist es leider meist viel schlechter und unattraktiver als das, was sich in anderen Ländern zur gleichen Zeit entwickelte.
Musikalisch gehen ihre Vertreter eigentlich kaum wirklich eigene Wege. Ihre Musik ist von angloamerikanischem Rock und Pop ebenso beeinflusst wie von deutschem Schlager. Textlich bieten sie zum Teil wirklich gelungene Pop-Lyrik. Das muss einem nicht unbedingt gefallen, aber es greift durchaus Alltagsthemen mehr oder weniger gekonnt auf, und es zeugt mitunter von geschicktem Umgang mit der deutschen Sprache. Ja, es gibt sogar Beispiele für eine wirklich gelungene Verbindung von Sprache und Musik, die man schon als eigenständige Entwicklung bezeichnen kann.
Wer mit solcher Musik aufgewachsen ist und damit Schlüsselerlebnisse der eigenen Sozialisation verbindet, wird vielleicht zu Recht große Stücke darauf halten. Mir blieb das alles trotz vorhandener Sympathie meist doch eher fremd. Und selbst die Songs und Produktionen von Die Ärzte oder von Trio, die ich als meine Favoriten unter den deutschsprachigen Bands bezeichne, bleiben im Vergleich mit meinen sonstigen internationalen Favoriten letztlich auf der Strecke. Aber das ist dann vielleicht wirklich auch mein Problem.
Ich fand Deinen Beitrag sehr gut. Was Du über die deutsche Musikszene sagst, stimmt. Ich habe aber den Eindruck, dass es auch an der eindimensionalen Popmusikbildung vieler Deutscher liegt. Viele junge Bands spielen einen unglaublich einfallslosen Rock, der auf Grunge und Nachfolgern oder auf 70er-Vorbildern aufbaut und sie hemmungslos kopiert. Ich habe mich da mal durch einen größeren Haufen im Rahmen eines Bandwettbewerbs durchgehört und 3/4 aller Bands (!) machten im Grunde Rock oder Metal. Unfassbar. Es gibt diesbezüglich in Deutschland wirklich nur sehr wenig Vielfalt und zu wenig Austausch bzw. Bereitschaft auch mal etwas Neues zu hören.
Ich würde aber nicht so weit gehen und in allem immer wieder Innovation zu fordern. Auch amerikanische Popmusik ist nur selten innovativ. Die Übertragung amerikanischer Formen und ihre Verbindung mit deutscher Kultur ist ja durchaus auch eine Innovation. Übrigens würde ich eine Band wie Element Of Crime durchaus als innovativ im Rahmen der deutschen Musikszene ansehen. Es gibt auch noch andere, aber natürlich kann man nicht verhehlen, dass Deutschland nicht gerade eine begeisternde Anzahl von Künstlern von Weltrang hervorgebracht hat. Es ist sicherlich ein komplexes Problem, wobei es durchaus positive Tendenzen gibt, wie Du ja auch schreibst. Warten wir es ab.
ReinoDer Unterschied zwischen U- und E-Musik ist zunächst mal der, daß U-Musik Laien-Musik ist (du nennst das demokratisch), E-Musik (zumindest was die Komponisten betrifft) aber nicht. Und es trafen zwei sehr unterschiedliche Eliten aufeinander: nämlich die musikalische Elite und die gesellschaftliche Elite. Und der (konservative) Geschmack der Aristokratie hat nicht verhindert, daß sich die klassische Musik kontinuierlich weiterentwickelt hat, bis hin zu Schönberg und anderen Neutönern, deren Musik nun ganz sicher nicht dem Geschmack der politischen Elite geschuldet ist.
Es stimmt, die höfische Förderung große Meisterwerke der (heute so genannten) klassischen Musik hervorgebracht. Und das war damals natürlich in der Tat innovative Musik. Mit dem Eintritt ins bürgerliche Zeitalter spielt das Publikum jenseits der Höfe eine größere Rolle und die klassische Form der repräsentativen Förderung nimmt ab, bleibt aber immer noch wichtig. Das ist ein spannendes Wechselverhältnis, wenn wir an Wagner denken, einen sehr modernen Komponisten. Man kann sagen die Musik verbürgerlicht sich im 19. Jahrhundert und wird nicht mehr nur von einer kleinen Elite gefördert, sondern vom Nationalstaat. Insofern ist die Geschichte identisch mit der Entwicklung in vielen anderen Bereichen.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.