Re: Johnny Griffin

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katharsis

Registriert seit: 05.11.2005

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Mit Johnny Griffin beschäftige ich mich derzeit zunehmend mehr.
Meine erste Hörerfahrung hatte ich durch „The Congregation“, allerdings war ich damals noch nicht bereit, mich mit diesen Blowing Sessions näher auseinanderzusetzen. Mittlerweile erkenne ich die teilweise rohe Kraft, die hinter der Musik steckt und die unterschiedliche Herangehensweise der Musiker. Griffin’s schnelles Spiel ist atemlos und gerade auch in den balladesken Stücken zeigt sich seine Größe, diese nicht einfach durchzuspielen, sondern ihne mit muskulärem-rauhen Ton neues Leben einzutauchen. Sogar Coltrane, mehr Mobley werden irgendwann zu reiner Staffage, wenn man sich nur auf Griffin konzentriert. Hier zeigt sich vielleicht am ehesten, dass Griffin einfach alles zerlegen konnte, wenn er denn wollte.
Toll ist dabei auch die Rhythmusgruppe, die mit Kelly/Chambers/Blakey sehr vielschichtig besetzt ist.

Ein anderes Beispiel ist dann „Blues up and down“, das gyspy ja schon in den Ring geworfen hat und das beispielhaft für eine kleine Serie von tollen Alben steht. („Lookin‘ at Monk“ würde ich da fast etwas ausnehmen, da es von der Konzeption durchaus etwas anders ist.) Auch wenn Joe Goldberg in den Liner Notes etwas Abstand davon nimmt, die Musik als Tenor Battle zu bezeichnen, ist sie doch charakteristisch für solch einen Wettstreit, allerdings mit einem ruhigeren Griffin, der in Lockjaw Davis einen ‚partner in crime‘ gefunden hat. Während auf „Congregation“ tatsächlich noch der Wettstreit im Vordergrund stand, spielt hier die Symbiose eine große Rolle. Die Band aus Mayers/Gales/Riley spielt erdig, aber auch komplex-funkig und legt einen tollen Teppich für die beiden Bläser. Gerade Ben Riley hat aus meiner Sicht viel von Blakey übernommen, dessen Schwerfälligkeit aber komplett ausgelassen und statt dessen den Swing über die Becken aufgenommen, was ich an Roy Haynes bspw. schätze. Letztlich ist die Musik nicht großartig, aber sie strotzt nur so vor Spielfreude, so dass es großen Spaß macht, einfach nur zuzuhören und sich anstecken zu lassen. Griffin lässt sich mehr Zeit, dehnt die Töne, ist aber trotzdem scharfkantig.

Einiges aus den früheren Riverside-Jahren fehlt mir, oder ich hab‘ es schon lange nicht mehr gehört, aber im Gegenseitz zum Konsens sind meine Lieblinge „Studio Jazz Party“ und „The Kerry Dancers“.
Bei ersterer schätze ich hauptsächlich die Atmosphäre die herrscht, da es sich offenbar um eine Art Live-Studio-Aufnahme vor kleinem Publikum handelte. Außerdem ist es eine schöne Gelegenheit, Griffin ohne zweites Sax zu hören, dafür mit dem von mir sehr geschätzten dave Burns. Die Musik ist locker, zwanglos, trotzdem konzentriert und auf dem Punkt. Mit „Good Bait“ und „Toe-Tappin'“ finden sich dann auch noch zwei sehr schöne Kompositionen.
„Kerry Dancers“ mutet dagegen erst einmal wie eine cheesy Session an, denn das Konzept war, britische Volkslieder neu zu interpretieren, u.a. bekannte Stücke wie „Black is the color of my tru love’s hair“ (neben einiigen anderen Kompositionen). Als Unterstützung wurden Griffin Barry Harris, Ron Carter und wiederum Riley an die Seite gegeben und alle machen ihre Sache ausnehmend gut. Der Hang zum Kitsch ist fast nirgendwo zu spüren, die Musik ist voll, aber mit der Griffin’schen Kante versehen. Was mir hier wieder besonders gefällt, ist, dass Griffin die Musik nahezu alleine tragen und nicht an jemand anderen abgeben muss. Man kann sich voll auf ihn konzentrieren.

Derzeit warte ich noch auf „Night Lady“, von der ich eigentlich dachte, sie zu haben, aber ich habe sie nirgends gefunden. Ich habe sie allerdings als sehr stark in Erinnerung.
Meine Erfahrung mit Griffin ist die, dass er immer wieder als schneller und scharfer Tenor gesehen wurde und häufig auf Tenor Battles reduziert wurde. Darüber hinaus gibt es aber jede Menge zu entdecken und es ist spannend, seinen sich ändernden Ton zu verfolgen, der für mich immer emotionaler wurde.
Spätere Aufnahmen, gerade jene mit Ronnie Mathews, fehlen mir dagegen leider.

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III