Re: Coldplay – Viva La Vida

#6523611  | PERMALINK

sokrates
Bound By Beauty

Registriert seit: 18.01.2003

Beiträge: 19,107

MistadobalinaNa ja, die Zeile „Jesus of Uncool“ ist doch mehr ein Wortspiel, das sich auf Nick Lowes Debüt bezieht. Ich würde da nicht soviel hineininterpretieren. Und dass Chris Martin vielerorts als uncool gilt, ist ja bekannt. Ist bei mir im Übrigen auch gar nicht negativ belegt, denn „Uncool is the new cool“ ;-)

Ich würde schon sagen, dass Chris Martins Gutmenschenimage und sein leidender Ton ihm etwas Jesus-mäßiges verleihen. Insofern passt die Zeile inhaltlich, wenn man sich auf die Boulevardisierung des RS einlassen will. (Ich habe damit kein Problem.)

MikkoAn Deiner Aussage ist grundsätzlich einiges Wahres dran, Sokrates. Allerdings war die Musik von Coldplay schon seit längerer Zeit nicht nur „uncool“, sondern auch sehr schwülstig, süßlich, sämig und nur schwer zu ertragen. Die neue Platte ist sogar weniger süßlich und mainstreamig als der Vorgänger. Leider glänzt sie auch fast vollständig durch die Abwesenheit von guten Songs, die über eine kurze Radio Halbwertszeit hinaus Bedeutung gewinnen könnten.

Für Dich schwer zu ertragen – womit wir schon mitten im Reich der Meinungen sind, Mikko. So könnte man ebenso sagen, die Coldplay-Musik sei einfühlsam oder erhaben, melancholisch oder mitreißend. Ganz nach Gusto – different strokes for different folks.

Ich habe die Platte jetzt sieben- oder achtmal gehört. Jedesmal hat sie gewonnen, und jedesmal haben sich die Songs mehr herauskristallisiert. Die wurden von Brian Eno sorgfältig in nicht ganz so zugängliche Strukturen verpackt bzw. halten sich nicht an gängige Ablaufformen. Dies ist ein Album, das man – zur Abwechslung mal tatsächlich – als Ganzes wahrnehmen muss (wie auch der Schluss des Albums, der zugleich der Anfang ist, zeigt.) Die Band hat also einen mutigen Schritt getan, den Willen zur künstlerischen Veränderung gezeigt und ein „unkommerzielles” Album aufgenommen. Ist es nicht das, was wir gemeinhin an unseren Künstlern lieben?

Die Beurteilung von Musik hängt nicht nur von Faktoren wie „Coolness” ab, sondern auch vom Erfolg. Wer Erfolg hat, gilt in Deutschland als oberflächlich, anbiedernd (an einen nicht näher definierten Massengeschmack) und wird deswegen kritischer gesehen – was viele gut finden, kann nicht gut sein. Ist ja auch viel schöner, auf Seiten des erfolglosen Künstlers zu stehen, dessen Kunst man als einziger zu würdigen weiß. Ich bin ziemlich sicher, Du fändest das neue Album besser, wären Coldplay unbekannt. Dann hielte man sie für mutig, komplex, anspruchsvoll.

:wave:

--

„Weniger, aber besser.“ D. Rams