Re: Literatur über Blues

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stefane
Silver Stallion

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Nadine Cohodas – Spinning Blues into Gold – The Chess Brothers and the Legendary Chess Records
(St. Martin’s Press, 2000)

Das Buch hinterläßt bei mir einen zwiespältigen Eindruck.

Überzeugend ist die Fülle der Details; man spürt geradezu, wieviel Zeit und Präzision in die Recherche und die Gespräche mit Zeitzeugen geflossen sein muß.
Diese Detailfülle ist für mich aber gleichzeitig auch die größte Schwäche des Buchs: irgendwie kommt die Autorin meist über ein Aufzählen und Aneinanderreihen dieser Details nicht hinaus, was mich im Lauf der Lektüre immer mehr erschlagen hat; mir fehlt hier oft das Herstellen der großen Zusammenhänge, das Werten all dieser Detailinformationen, die Analyse und auch die eigene Meinung, obwohl ich das Gefühl habe, das dies von der Autorin vielleicht auch gar nicht gewollt war.
So wird auch ein Thema wie der Umgang von Chess Records mit Themen wie Künstlertantiemen und Verlagsrechten zwar immer wieder angerissen, aber nicht vertiefend aufgearbeitet und kommentiert. Die Klagen, die u.a. Muddy Waters und Willie Dixon in den 70er-Jahren gegen das mit Chess Records verbundene Verlagshaus Arc Music angestrengt haben, werden nur sehr beiläufig erwähnt.

Zu beachten ist, daß das Buch von Nadine Cohodas sich primär als eine Art Sozialgeschichte der Musikindustrie und des Labels Chess Records versteht, die sich auf das Geschäft mit der Musik, die Mechanismen der Musikindustrie und die Zusammenhänge zwischen Kommerz und Kultur konzentriert. Worin die – bis heute andauernde – musikalische Faszination von Chess-Künstlern wie z.B. Muddy Waters oder Howlin‘ Wolf besteht, wird in dem Buch nicht diskutiert: eine musikalische Analyse und Einordnung will das Buch explizit nicht leisten.

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"Bird is not dead; he's hiding out somewhere, and will be back with some new shit that'll scare everybody to death." (Charles Mingus)