Re: Fehlerhäufigkeit bei neueren Vinyl-Pressungen

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nail75

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Ich habe mir inzwischen sechs neue Vinylausgaben gekauft, nämlich:

1. Palace Brothers – Days In The Wake
2. Radiohead – In Rainbows (Discbox)
3. Sharron Kraus – Leaves From Off The Tree
4. Simone White – I Am The Man
5. Holly Golightly – You Can’t Buy A Gun When You Are Crying
6. Blood Meridian – Liquidate Paris

1-3 waren völlig einwandfrei, sowohl was die Oberfläche wie auch was eventuelle Nebengeräusche anging, es gab nämlich schlichtweg keine. 6 ist oberflächlich nicht ansprechend, spielt aber weitgehend einwandfrei. 4. habe ich zweimal beim selben Händler online bestellt und zweimal knisterte die Platte massiv (wir reden von etwa 50 einzelnen Geräuschen pro Seite, nur um mal einen Maßstab zu nennen). Daraufhin ließ ich sie ersatzlos zurückgehen. Ein Fori teilte mir mit, dass er ebenfalls ein Exemplar zurückgehen lassen musste, beim zweiten Versuch dann aber eine einwandfreie Ausgabe erhielt.

5 ist alles andere als perfekt, es sind eindeutig Schlieren auf der Platte zu sehen und sie knistert etwas. Daraufhin brachte ich sie zur Plattenwäsche und das entfernte die Mehrzahl der Knistergeräusche, allerdings bei weitem nicht alle. Der sehr erfahrene Plattenhändler bemerkte ebenfalls die Schlieren und erklärte, bei einer neuen Platte sollte das eigentlich nicht vorkommen. Er bemängelte außerdem die Qualität des neuen Vinyls und stellte fest, dass es vor allem in den 1960ern und 1970ern nicht zu so häufigen Problemen gekommen sei, vor allem im Verhältnis zu den riesigen Auflagen, die Platten damals erreichten. Heute seien die Auflagen sehr gering und die Qualität oft zu bemängeln.

Mein sehr vorläufiger Erfahrungsbericht sieht folgendermaßen aus: Wer neues Vinyl erwirbt, muss im Vergleich mit älteren Veröffentlichungen mit einer extrem hohen Ausfallquote rechnen. Ich habe in den letzten Monaten einen ganzen Stoß von ECM-Platten erworben. Die Platten sind teilweise mehr als 30 Jahre alt und spielen fast gänzlich knisterfrei. Das gilt auch für eine große Anzahl von anderen second-hand Platten, die ich erworben habe. Abgesehen davon ist die Verpackung der online georderten Platten oft unzureichend. Im Gegensatz zu manchen kenntnisreichen Foris, belassen die Verkäufer die Platte in der Hülle und riskieren so Seamsplits. Die Discbox hat solche Probleme natürlich nicht. Eine lobende Ausnahme stellen jedoch die Herrschaften von Bo’Weavil (Sharron Kraus) dar.

Ob man neue Veröffentlichungen als Platte oder als CD erwirbt, muss jeder selbst entscheiden. Als Neukäufer kann man jedoch mit Sicherheit damit rechnen, dass der zeitliche Aufwand, den die Bestellung, der Umtausch und Aktionen wie „Plattenwäsche“ erfordern, denjenigen bei CDs um das Doppelte oder Dreifache übersteigt. Zum Vergleich: Ich besitze mehrere Tausend CDs und habe vielleicht 10 CDs in meinem Leben umtauschen müssen, weil sie einen Fabrikationsfehler hatten. Ich habe jetzt schon zwei Platten umtauschen müssen und habe gerade mal sieben (eine zweimal) gekauft.

Ob die bessere Haptik, der vielleicht bessere Klang und die Gewissheit zu einer kleinen Minderheit Aufrechter zu gehören, das aufwiegen, ist zumindest zweifelhaft. Vor allem ist bedauerlich, dass es Labels gibt, die massive Probleme mit ihren Pressungen ignorieren. Kaum ein Unternehmen in anderen Bereichen könnte mit einer Ausfallquote von mehr als 10% leben. Manche Vinylhersteller erreichen das offenbar locker. Das ist durch nichts zu rechtfertigen.

Ich werde dennoch gelegentlich weiterhin Vinyl kaufen, vor allem dann wenn die entsprechenden Erfahrungsberichte im Forum ausfallen (was jedoch leider nicht immer eine Gewähr ist, siehe Simone White), wenn das Vinyl nicht allzu viel mehr kostet als die CD oder wenn ich es in einem Laden sehe, wo ich weiß, dass ich es im Falle mangelhafter Qualität umtauschen kann.

Andere Erfahrungen würden mich sehr interessieren, gerade auch von denjenigen, die häufiger als ich Vinyl kaufen.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.