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PhoenixDiese Diskussionen über deutsche Texte… Warum zum Henker müssen ausgerechnet deutsche Texte immer allen nur denkbaren Ansprüchen genügen. Sie sollen schön sein, aber bloß nicht peinlich. Sie sollen metaphorisch sein aber nicht pseudointellektuell. Die Texte sollen irgendwie eine Geschichte erzählen, aber wenn sie es tun, dann ist es nur egokranke Nabelschau.
Die logischen Brüche und Widersprüche in den Texten von Kettcar speziell auf diesem Album finde ich hervorragend. Das waren endlich mal deutsche Texte mit Interpretationsspielraum, gepaart mit Zeilen die so konkret aus dem eigenen Leben gegriffen sein könnten, dass sie einen unvermittelt treffen. Und hinterher kommt dann wieder irgendein queres Bild, um zu verhindern, dass es peinlich werden könnte.
Zeigt mir einen Beitrag in einem einzigen Thread, in dem die Texte eurer englischsprachigen Helden genauso pingelig nach Haaren in der Suppe durchsucht werden. Was die teilweise für einen triefenden Quark zusammentexten, das würde auf deutsch übersetzt noch nicht mal im Musikantenstadl laufen.
Dieser Ausbruch kann – bezüglich des Anspruchs an deutsche Texte – nicht mir gelten, denn ich gehöre nicht zu denjenigen, welche deutschsprachige Popmusik geringschätzen, im Gegenteil. Texte an sich sind sowieso nur ein Bestandteil einer gelungenen Komposition, sie müssen keinesfalls literarischen Ansprüchen genügen.
Es gibt übrigens genügend dümmliche Lyrics in englischer Sprache. Auf „Yes“ habe ich bereits im entsprechenden Thread hingewiesen, Oasis haben auch schlimme Texte und die Texte der Popmusik vor Dylan sind größtenteils belanglos. Das hält viele Lieder dieser Zeit nicht davon, dennoch gut zu sein. Ich gebe aber gerne zu, dass viele Fans (und ich will mich dabei nicht ausnehmen) bei deutschen Texten kritischer sind als bei englischen.
Zu Kettcar. Sie haben – wie gesagt – einige gute Songs. Selbst in „Landungsbrücken“ findet sich allerdings wirklich gruselige Texte.
Beispielsweise:
„wollt ich leben und sterben wie ein toastbrot im regen?
wie ein betrunkener hund im zorn ohne grund?
die erinnerungssplitter liegen herum
ich tret rein
und verblutend am elbstrand, die getränke sind alle
noch ein allerletztes mal winken auf dem weg aus der leichenhalle
immer zuviel oder zu wenig in mir
als man ankam wollte man werden, die geschichte schreiben,
die doofen sollen sterben, der plan als man damals nach hamburg kam“
Es sollte darüber keine Diskussion geben, dass der Text große Kacke ist. Das Lied ist trotzdem ordentlich, sicherlich kein Meisterwerk, aber eine gute Single. Wenn man sich jedoch ein Album von Kettcar zur Gänze anhört, wird man jedoch mit sehr vielen schlechten Texten konfrontiert werden. Bedauerlicher als diese ist aber die Abwesenheit guter Songs und die begrenzten musikalischen Mittel der Band. Warum haben eigentliche fast alle Songs ein Tempo? Und warum kann niemand Gitarre spielen? Mir ist klar, dass Du das anders siehst, was ja auch nichts macht. Aber ganz so einfach, wie Du es Dir machst, ist es nicht.
Auf „Von Spatzen und Tauben“ gibt es immerhin einen guten Song: „Die Ausfahrt zum Haus Deiner Eltern“, vermutlich auch ihr ehrlichster Song, zusammen mit „Landungsbrücken“.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.