Re: Pro & Contra Smileys und Emoticons

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wolfgang-doebeling
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Dick Laurent
Bei WD scheint mir, dass er die Kommunikation hier anders beurteilt, als es viele andere tun. Wir haben es hier nicht mit reinem „Schreiben“ und einer reinen „Schriftsprache“ zu tun, Internetkommunikation ist eine Mischung aus Reden und Schreiben, die sich aber nur der Schrift bedienen kann. Also gelten hier einerseits andere Regeln (es gibt ja mittlerweile genügend Literatur über die richtige Anrede bei Emails etc…) und es werden andererseits nicht wortgebundene Merkmale des Redens in die Schriftsprache integriert, eben als Ersatz für Gesten und Mimik, wie Mista es bereits schrieb. Letzteres nun auch schon seit Jahrzehnten über Smilies, die sich leider von den netten „Doppelpunkt Strich Klammer“-Emoticons zu bunten Bildern weiterentwickelt haben und dadurch natürlich einen erhöhten Nervfaktor mit sich bringen. Die Mehrdeutigkeit mancher Smilies ist dabei natürlich ein zusätzliches Feature und kein Bug!

Genau der gleiche Interpretationsspielraum wie bei Smilies besteht übrigens bei den WDschen Anglizismen. Während sie auf dich vertraut wirken, wirken sie auf mich gezwungen und irgendwie unnötig verklemmt. Die Aussage steht ja, wie bei den Smilies, im Satz davor und ist bei WD meist eindeutig genug. Wieso also dieser nachgeschobene Unfug, der aus der privaten Meinung eine vermeintlich überregionale Aussage machen will?!

Ach Dickieboy, eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, Dein Geblök zu ignorieren. Weil es für gewöhnlich doch nur zwei Varianten kennt: „das gilt nicht für mich“ und „das ist mir völlig egal“, meistens in sinnfälliger Kombination. Nun treibst Du mich dazu, diesem noblen Vorsatz untreu zu werden, indem Du tatsächlich ein paar bedenkenswerte Sätze absonderst. Darin vermischen sich bescheidene Wahrheiten mit falschen Prämissen nämlich auf eine so unerquickliche Art, daß es doch einiger klärender Worte bedarf. Nicht exklusiv an Deine Adresse, leider…
Wie schon des öfteren andernorts erläutert: Anglizismen sind sprachliche Hybridformen, die den Weg ins Deutsche aus den unterschiedlichsten Gründen gefunden haben. Qua allzu wörtlicher Übersetzungen etwa: „das macht Sinn“ oder „nicht wirklich“. Oder über englische Termini, für die es kein deutsches Äquivalent gibt. Und die dann eingedeutscht werden, also mit deutschen Endungen versehen, zusammengesetzt, ja gar deutsch dekliniert und konjugiert werden. „Upgraden“, „des Internets“, „riffig“, „Synthie-Pop“, „ein okayer Blog“. Dies sind Anglizismen, weil sie nicht mehr englisch und noch nicht deutsch sind. Sie begegnen uns täglich tausendmal, oft ohne daß sie als solche erkannt werden. Auch und gerade hier im Forum. Ich benutze sie bewußt nicht. Nicht einmal sporadisch, allenfalls sardonisch. Bösartig-ironisch gewissermaßen. Nochmal: ich meide Anglizismen. So gut es geht. Man zeige mir den Autoren, der weniger Anglizismen verwendet.
Etwas völlig anderes ist das mit der englischen Sprache. Ich bediene mich sehr gern idiomatischer Ausdrücke aus dem Englischen, gern auch ganzer Sätze. Ungezählter Worte sowieso. Geht oft auch gar nicht anders. Es gibt weder für das maritime Riff noch für den gleichnamigen Schlag auf die Saiten einen genuin deutschen Begriff. Die Sprach-Gestapo des unsäglichen Vereins für deutsche Sprache steht erfreulicherweise nicht nur da auf verlorenem Posten.
Bleibt die Frage, warum ich gern englische Redewendungen in den deutschen Duktus einstreue oder eine Einlassung mit Vokabeln aus dem Englischen beschließe. Deine Frage, dougsahm. Die Antwort ist einfach: ich liebe die deutsche wie die englische Sprache und es ist nicht einzusehen, wieso sie sich in einem Text ausschließen sollten. Englische Ergänzungen färben oft den Ausdruck, pointieren, provozieren. Großartig. Das gefällt nicht jedem. Soll es auch nicht. Stilmittel polarisieren immer, bieten Angriffsfläche und Wiedererkennungswert. Like it or loathe it.
Nicht als Rechtfertigung, nur zur besseren Nachvollziehbarkeit: ich schreibe so seit nunmehr gut 30 Jahren, empfand es immer als völlig natürlich. Was daher rührt, daß meine Beschäftigung mit Musik zu geschätzten 99% in englischer Sprache erfolgt. Der Prozentsatz englischsprachiger Songkunst in meinem musikalischen Kosmos ist noch höher. Da bleibt es nicht aus, daß einem beim Schreiben ideale englische Formulierungen durch den Kopf schießen, für die dann eine deutsche Entsprechung gesucht werden muß. Was oft schwierig ist, manchmal unmöglich. Übersetzer wissen, wovon ich rede.
Recht hast Du, Dickie, mit Deiner Mutmaßung, ich sei nicht auf der Höhe der „Internetkommunikation“ (ein Anglizismus, by the way). Soweit ich deren Spezifika kenne, schreckt sie mich zugegebenermaßen auch ab. Die schleichende Reduzierung von Kommunikation auf Codes und Zeichen (SMS, Smileys, etc.) läuft bei mir unter der Überschrift Debilisierung der Gesellschaft, durchaus parallel zur Digitalisierung von Musik, der unaufhaltsamen Talfahrt des Gernsehens, der Virtualisierung von Gefühlswelten, etc.
Ich schweife mal wieder ab, zurück zum eigentlichen Thema: Smileys und Sprachgebrauch hier im Forum. Nein, ich bin keineswegs der Auffassung, daß man hier ins „Reine“ zu schreiben hat, als ob es gedruckt würde. Selbstverständlich schreibt man zügig, legt nicht jede Formulierung auf die Goldwaage. Mache ich auch nicht (Ellipse? Geschenkt). Gebe nur zu bedenken, daß es einen fundamentalen Unterschied gibt zwischen lässigem und nachlässigem Schreiben. So wie zwischen lässigem und nachlässigem Denken. Smileys verführen m.E. zu letzterem.
Schließlich, an die Adresse von Amadeus: nein, Du verleugnest doch Deine Herkunft nicht, wenn Du Dich schriftlich des Schriftdeutschen bedienst und mundartliche Besonderheiten außen vor läßt. Würde jeder in seinem Dialekt plappern (einige tun das ärgerlicherweise), würde das die Kommunikation nicht eben befördern. I rest my case.

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