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Henri Crolla & Brigitte Bardot, 1959
La guitare de Crolla avait quelque chose de magique. Il avait un toucher bien à lui, différent de celui de Django, plus intériorisé et qui manifestait une espèce de tendresse, une douceur qui le distinguent à coup sûr de tous les autres guitaristes.
~ Colette Crolla, aus den Liner Notes zu „Le long des rues“
Genau dieser margische, zärtliche, nach innen gerichtete Touch macht Crollas auf den ersten Blick in keiner Weise herausragende Musik zu einem so schönen Hörerlebnis, wenn man sich erst auf ihn einzulassen bereit ist.
Geboren in Neapel, kam Crolla 1922 nach Paris, seine Familie – alles Musiker – siedelte sich in Hütten an, die auf dem Gebiet der geschliffenen Stadtmauern Paris‘ seit dem 19. Jahrhundert entstanden waren. Der kleine Enrico zog schon früh mit seinem Banjo durch die Gassen. Seine Musik – besonders die drei Alben, die auf der Doppel-CD „Le long des rues“ versammelt wurden – ist denn auch eine wunderbare Hommage an die schönste aller Städte.
Begleitet von einem grösseren, sehr dezent eingesetzten Orchester spielt er auf Le long des rues… Lieder, die das alte Paris wiederauferstehen lassen. Auf Bonsoir Chérie wird er von einer jazzigeren Band begleitet, spielt selbst wie mir scheint elektrische Gitarre, und mischt ein paar amerikanische Songs ins Menu, etwa „My Melancholy Baby“ oder „Poinciana“. Auf der zweiten CD findet sich ein drittes Album, wieder an der akustischen Gitarre und diesmal ganz solo (mit ein paar Overdubs oder einem anonymen Begleit-Gitarristen hie und da) und mit eigener Musik (ein paar Stücke hat er mit einem seiner wichtigsten Partner und Kollegen Claude Laurence – aka André Hodeir – komponiert).
Als Bonus finden sich auf der zweiten CD einige zuvor meist unveröffentlichte Skizzen von Film-Soundtracks, wieder solo, teilweise mit Gesang (etwa auf dem für Bardot geschriebenen Stück „Voulez-vous danser avec moi?“). Diese Aufnahmen stammen von Colette Crolla (Crolette, wie die grosse Simone Signoret sie genannt hat) sie war seit 1948 mit Henri verheiratet. Crolla verkehrte u.a. mit Signoret und Yves Montand (die er anscheinend miteinander bekannt gemacht hat), aber auch mit Jacques Prévert und dessen „Gang“. Auch hat er sich mit seinem grossen Idol Django angefreundet (jeden Vergleich mit ihm verbot er sich, er war dazu viel zu bescheiden).
Crolla war seit 1948 der Begleiter von Yves Montand, am 4. April 1954 fiel der letzte Vorhang im „Théâtre de l’Etoile“ und Montand verabschiedete sich vorübergehend, um ein längeres Engagement als Schauspieler in einem Stück von Arthur Miller zu übernehmen. Erst im Dezember 1956 traf sich „Le Jazz Band“, wie Simone Signoret die Truppe nannte, wieder, aus Anlass einer Tour Montands durch die Sowjetunion.
In der Zwischenzeit entstanden 1955 die meisten Jazz-Aufnahmen von Crolla. (Die drei Alben auf der obigen Doppel-CD stammen von 1956/57, die Bonus-Tracks von 1958/59-1960 – und sie sind nicht sehr jazzig.). Auf zwei weiteren CDs in der Jazz in Paris Serie – Begin the Beguine und Quand refleuriront les lilas blancs? – finden sich zu etwa gleichen Teilen Quartett-Sessions mit Martial Solal (unter dem Pseudonym „Lajos Bing“) sowie Sextett-Sessions mit Maurice Meunier (Klarinette) und Michel Hausser (Vibraphon) und den Pianisten George Arvanitas (Begin…) oder Maurice Vander (Quand refleuriront…). Bass und Schlagzeug spielten in beiden Formationen Emmanuel Soudieux und Jacques David.
Die Musik ist hier entschieden Jazziger, eine relaxte Mischung aus Swing und Zigeunerjazz. Solal und auch der vergessene Maurice Meunier tragen schöne solistische Momente bei. (Zu Meunier: die Clarinettes à Saint-Germain CD aus der Jazz in Paris Reihe enthält je ein Album von ihm sowie von Hubert Rostaing, den man wohl am ehesten aus Djangos Gruppen kennt – sie ist auch wärmstens empfohlen!)
Finalement… Notre ami Django, das letzte Album, enstanden 1958 mit einer etwas grösseren Gruppe mit Hubert Rostaing (Klarinette), André Ekyan (Altsax), Stéphane Grappelli (Violine), Géo Daly (Vibraphon), René Urtreger oder Maurice Vander (Piano), Emmanuel Soudieux (Bass), und Pierre Lemarchand oder Al Levitt (Schlagzeug). Auf dem Menu stehen ausschliesslich Stücke von Django, grösstenteils Klassiker wie „Swing 39“, „Nuages“, „Manoir de mes rêves“ und „Swing 42″. Vielleicht die schönste Session von Crolla?
Als Bonus findet sich auf der CD noch eine EP von 1956 mit Rostaing, Solal, Soudieux, dem kürzlich verstorbenen Roger Guérin (Trompete) und dem Drummer Christian Garros – vier kurze Versionen von Standards.
Einen sehr schönen Blog-Post zu Crolla findet ihr hier und es gibt auch eine MySpace Seite, wie üblich mit Hörproben.
Crolla, c’était notre musique. Maintenant elle est cassée, notre musique.
~ Jacques Prévert nach Crollas Tod, aus den Liner Notes von „Quand refleuriront les lilas blancs?
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