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Kürzlich, im Musikalischen Tagebuch:
Sokrates19. September 2009
Richard Hawley – Lady’s Bridge
. . . Richard Hawley (wg. Kitsch) droht die Entfernung von der Festplatte.
nail75@Sokrates: Ich habe die Hawley auch verkauft, weil das Musik für Menschen, die einen höheren Toleranzbereich für zuckrige Arrangements haben. Dieses Album war aus meiner Sicht eindeutig „too much“. Vielleicht sollte ich mich mal mit Cole’s Corner beschäftigen, das ist ja wohl sein bestes Werk und vielleicht ist das nicht ganz so überladen wie „Bridge.“
Sokrates:bier:
Manchmal verändert sich die Wahrnehmung und Einschätzung einer Platte, wenn etwas Zeit vergeht und man Distanz gewinnt. Vor allem, wenn es sich um eine anfängliche Enttäuschung handelt. Ich mochte Richard Hawleys Platten „Late Night Final“ und „Cole’s Corner“.
Aber ganz anders „Lady’s Bridge“: Da ist die Enttäuschung zwei Jahre später noch schlimmer geworden. Schwülstige Streicher („Valentine“), sentimentale Sülze („Serious“), schlappe Schunkelnummern („Dark Road“) – der Schmalz trieft und tropft nahezu ununterbrochen aus den Lautsprechern.
Was immer sich Hawley dabei gedacht haben mag, diese Platte ist mit einem Wort: Kitsch – und nicht so, dass es schon wieder gut ist. Nein: Richtig kitschig. Auch textlich: „Tonight the streets are ours.“ Stell dir das mal auf Deutsch vor: Heute Nacht gehören uns die Straßen. Dafür würden sie Dich kreuzigen (Sie = diejenigen, die an Annett Louisan rumkritteln.) „Take her in your arms, and never be afraid.“ „Down By the River, I can’t forget her.“ Usw. Gruselig! Sätze, die meine Magenperistaltik auslösen.
Dennoch wird der Mann weiter als cooler Crooner verehrt. Gestern hat Gorkow in der SZ das Feuilleton mit einer Jubelbesprechung der Neuen aufgemacht (!). Mir ist beim Wiederhören der „Lady’s Bridge” schon vorab die Lust vergangen. Dabei schreibt Gorkow selbst, „Truelove’s Gutter” habe Easy Listening-Qualitäten. Sie sehen, was sie sehen wollen.
nail75. . .
Reden wir nicht drumrum, was Hawley auf „Lady’s Bridge“ macht, ist Schlagermusik. Da ist wenig von der coolen Lässigkeit eines Nick Lowe, stattdessen ist die Musik geradezu exzessiv mit Bombast aufgeladen.
Möglicherweise will Hawley damit die Trostlosigkeit von Sheffield kompensieren, aber stattdessen fühle ich mich nach dem Durchhören des Albums als hätte ich mich an einer Schwarzwälder Kirschtorte überfressen.
MozzaRichard Hawley – Lady’s bridge
dazu ein paar Stücke Schwarzwälder Kirsch.
Album: * * * *
Torte: * * * * 1/2
nail75Ich wusste, dass das Album bei Dir besser aufgehoben ist.
MozzaIch werde mich jetzt nach und nach um Hawleys übrige Alben kümmern.
Von „Lady’s bridge“ hat mir übrigens der (für mich angenehm kitschige) Opener „Valentine“ am besten gefallen. Seinen Gesang empfinde ich als durchweg angenehm.
Sokrates. . .
Hawley rettet, dass er deutschen Schlager wahrscheinlich nicht kennt. Umso bemerkenswerter, dass er sich von allein dahin verirrt hat. Spricht nicht für seine Geschmackssicherheit.
MozzaWenn Hawley Schlagermusik macht, finde ich es schade, dass es nicht mehr solcher Schlager gibt.
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„Weniger, aber besser.“ D. Rams