Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Soul, R’n’B & Funk › Wer oder was definiert Soul? › Re: Wer oder was definiert Soul?
otisweiße Melodieführung
Interessante und zum Weiterdenken anregende, mir allerdings letztlich doch ziemlich kühn erscheinende und in dieser Klarheit womöglich nicht haltbare These. Denn …
1. … es gibt natürlich jede Menge Songs schwarzer Autoren auf als „Soul“ definierten Alben, bei denen man doch dringend fragen darf, ob die Melodiebögen da wirklich so einfach, so kurz sind, wie sie nach Deiner Definition sein müssten. Donny Hathaway, „Someday we’ll all be free“, Curtis Mayfield, „The Makings of you“, durchaus auch „What’s going on“ – müsste man die dann alle aus dem Soul-Kanon herauslösen? Bereits bei einem Song wie Dark End of the Street hätte ich große Schwierigkeiten, von “schwarzer” Melodie zu sprechen, obwohl sie eher von schlichter als von komplexer Schönheit getragen ist (dass die Nummer von einem weißen Duo, Penn/Moman, ist und es eine tolle weiße Interpretation von den Burritos gibt, macht das Ganze noch elend komplizierter).
2. … es gibt natürlich jede Menge Songs, die analog zu Hey Jude von weißen Schreibern, die aus weißen Schreibtraditionen kommen und die auch hervorragend für typisch weiße Präsentationsweisen geeignet sind, die aber trotzdem problemlos zu Soul werden, wenn sie ins Soul-Idiom überführt werden. Klassische Beispiele, die mir spontan einfallen: „You’ve got a friend“ (das in kargen Songwriter-Arrangement bei King oder James Taylor hervorragend funktioniert) oder „Natural Woman“ von Carole King in den Versionen von Hathaway/Flack und Aretha. Das legt die Vermutung nahe: Der Soul liegt weniger in der Melodie, eher darin, wie man damit umgeht, was man aus ihr macht (und Pickett macht daraus: Soul)
3. im Soul verschwimmen weiße und schwarze Musizier- und Komponiertraditionen von Anfang an aufs Intimste – der enge Zusammenhang zwischen Country („weiß“) und Soul („schwarz“) ist ja vielfach nachweisbar.
Ich räume ein, so ganz unbrauchbar finde ich Deine Unterscheidung zwischen weißer und schwarzer Melodie nicht, und es gibt Soul-Spielarten, wo sie extrem gut taugt, das jeweils Markante zu definieren. Zum Beispiel im erdig-klassischen Southern-Soul-Stil: Hier ist die Melodie oft nicht so entscheidend oder wird in ein markantes Bläsermotiv ausgelagert. Viele Wilson-Pickett-Nummern passen hierher. Und insofern ist „Hey Jude“ eine markante Abweichung von Picketts ursprünglicher Linie, eine Erweiterung des erprobten Southern-Soul-Vokabulars durch Verwendung eines nicht im Soul-Kontext entstandenen Liedes.
Aber ist das dann gleich kein Soul mehr? Wäre dann auch Arethas Version von Let it be kein Soul? Ich finde: Das geht zu weit.
--