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Sanctuary Into the mirror black ´89
Das waren noch Zeiten, als man RTL in bestimmten Gegenden erstamlig nicht nur via Kabel, sondern auch über Antenne empfangen konnte. Statt Talkshows indem sich Menschen erniedrigen und strunzdoofen Gerichtssendungen lief u.a. Nachmittags das einigermaßen passable Heavy Magazin MOSH. In der ersten Sendung die ich sah wurden einige Livesongs der 88er Megadeth Tour gezeigt, aber nicht nur Megadeth, sondern auch die Supports, Flotsam & Jetsam, sowie Sanctuary. Letztere fielen in erster Linie durch ihre hinterteillangen Matten auf und fanden sich auf der Tour nicht rein zufällig, da Mustaine ihr Debut Refuge denied ´ im gleichen Jahr produzierte. Die Presse überschlug sich nicht gerade, bei dem Produzenten witterte man den bloßen Hype, aber was die Jungs und Mustaine da auf Band gebracht hatten war schon aller Ehren wert. Satter US Metal und eine Stimme, wie die von Warrel Dane, der wie eine aufgekratzt kreischende Version von Queensryches Geoff Tate klang, hatte man bis dato wohl auch noch nicht gehört. Stark gewöhnungsbedürftig, aber von hohem Wiedererkennungswert.
Bereits ein Jahr später fand Into the mirror black den Weg in die Läden und toppte das schon beachtliche Debut nochmals um Längen, da der Seattle-Fünfer innerhalb eines Jahres in sämtlichen Belangen unglaublich gereift schien. Die Hymnenhaftigkeit des Vorgängers behielt man weitgehend bei, hob zusätzlich das spielerische Niveau an und verpaßte den Songs einiges mehr an Tiefe. Power und Eingängigkeit blieben allerdings unangeastet. Dane ließ sein Gepresse weitgehend außen vor und präsentierte sich vielmehr als kompetenter Sänger mit interessanter Stimme. Ja ja und dann noch diese formidablen Songs: Future Tense beispielweise eröffnet den Reigen, grooviger (was ich jedenfalls unter Groove verstehe, seit dem Sabbath Thread zweifle ich…) Basslauf, ein zunächst unauffälliger Refrain, der hinterher nicht mehr aus dem Kopf will. Taste Revenge , der schlechte Laune Klopfer der Platte, wie der Rest des Albums mit überdurchschnittlicher melodischer Gitarrenverzierung. Long since dark müßte eigentlich letzte Zweifler überzeugen. Melodisches, langsam die Emotionen steigerndes Intro, dann Dane den Titel singend und sekundenlang die Stimme haltend, währenddessen Bass und Drums Vollgas geben. Hat über die Jahre nichts an Faszination eingebüßt und monatelang gings damals Abends nicht ohne die Portion Long since dark ins Bettchen. Epitaph lebt ebenfalls von der Intensitäts Danes und dem feinen Spannungsbogen, wenn die Band Intensität und Häfte effektvoll steigert. Eigentlich könnte ich jeden Song huldigen, würde mich dabei aber nur in inflationärer Weise diverser einschläfender Superlativen bedienen und damit Peter dem Großen zu Bochum nacheifern. (Gut mach ich immer, ertappt, aber es sind nun mal meine Lieblingsalben)
Hinter dem Mischpult saß mit Howard Benson dieses mal ein Profi, der für einen differenzierten und druckvollen Sound sorgte. Die klischeehaften Fantasylyrics von Refuge denied blieben außen vor, selbst das Cover von Into.. fiel für damalige Zeiten wahrlich unmetallisch aus. Es hagelte begeisternde Reviews und trotzdem blieb es das letzte Album unter dem Namen Sanctuary. Auf einer anschließenden, relativ erfolglosen, Europatour mit Fates Warning bekamen sich die Bandmitglieder in die Haare. Es soll sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Die Band lag vorerst auf Eis. Zaghafte Neuversuche fanden ein jähes Ende, als Gitarrist Lenny Rutledge, der den Großteil der Kompositionen verantwortete, die Lust auf Metal verging und sich stattdessen lieber an die Grungewelle hing. Das unrühmliche Ende einer hoffnungsvollen Band.
Ebenfalls empfehlenswert:
Nevermore Dead heart in a dead world ´00
1994 fanden die beiden vollwertigen Ex-Sanctuary´s Warrel Dane (Gesang) und Jim Sheppard (Bass), sowie Jeff Loomies, der nach Into the mirror black zu Sanctuary gestoßen war, und Drummer Van Williams unter dem Namen Nevermore zusammen. Ursprünglich gedachte man unter dem Namen Sanctuary weiterzumachen, aber Rutledge überließ die Namensrechte nicht. Dabei hielt man sich beim Debut Nevermore noch sehr nah am Sanctuary Sound. Den direkten Vergleich mit dem superben letzten Sanctuary Album konnte aber allenfalls die Hälfte der Songs halten.
Über die folgenden Alben hinweg emanzipierte man sich etwas von Sanctuary, allein Dane´s Stimme wird zwar auf alle Zeiten einen Vergleich logisch machen, der Sound von Nevermore wurde aber proggressiver, technischer, härter und düsterer. Weil trotz all dem technischen Anspruch zwischendurch immer wieder der melodisch, hymnische Spirit von Into the mirror black aufblitzt, hat es mir aber gerade dieses Album besonders angetan. Nebenbei hält die CD mit der Coverversion Simon & Garfunkels Sound of silence (wo doch gestern wieder mal die Reifeprüfung auf BR lief..) noch ein besonderes Schmankerl bereit, die das musikalische Thema nur ganz kurz akkustisch aufgreift, ansonsten jedoch nichts mit Original gemein hat, aber sich kongenial mit dem Text ergänzt. Fans des Originals werden sich eventuell übergeben müssen, nun ja…
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Bleibense Mensch. [/FONT][/I][/COLOR][/FONT]