Re: Heavy Metal

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brosche

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Also zum Todestag von Chuck Schuldiner vorgezogen, hoffe da arbeitet sich jemand freiwillig durch den Text:

5

Death Symbolic ´95

Keine Ahnung wie ich damals auf Death kam? Ich hatte, glaube ich, mit einem Auge gesehen, das das Debut Scream bloody gore (´87) im Metal Hammer 7 Punkte bekommen hatte und dann war da noch dieses Cover von Meister Ed Repka und der üble Schriftzug. Sah alles verdammt hart aus und machte neugierig. Der wirklich extreme Gesang von Schuldiner war dann noch das i-Tüpfelchen, aber zum Die Hard Death Fan wurde ich erst durch Leprosy (´88), welches kurz nach dem Kauf meiner SBG ersschien und das ich damals rauf und runter hörte. Die alles zermalmende heavyness und die fiesen Schreie von Schuldiner, beispielsweise bei Left to die neben den Solis, damals freilich noch eher simpel, waren linderndes Mittel in einer Zeit, in der Frustration und Orientierungslosigkeit ständige Begleiter waren und trieben meine Eltern beinahe in den Wahnsinn.

Spiritual Healing(´90) war weniger straight forward, dafür umso heavier (Hörtipp: Within the mind!). Meiner Meinung nach ihr Unterbewertestes. Zum Zeitpunkt der Entstehung von Human (´91) hatte der Deathmetal paralel zum Grunge, wenn auch natürlich auf kommerziell viel niedrigerem Niveau, den Höhepunkt seiner Popularität erreicht und Death sorgten mit einem spielerisch herausragenden Album (Schuldiner konnte kompetente Musiker von Cynic und Sadus zur Zusammenarbeit gewinnen) für neue Impulse und offene Münder bei Fans und Musikerpolizei. Zahlreiche Breaks in den Songs rückten Death immer mehr in die Nähe einer harten, rauhen und rasend schnellen Version von Progrock. Eine Entwicklung, die mit Individual thought patterns (´93) noch konsequenter vollzogen wurde (jetzt sogar mit Gitarist La Rouque von King Daimond und dem legendären Dark Angel Felldrescher Gene Hoglan). Außer den extremen Vocals hatten Death nun nur noch wenig mit dem Sound der Anfangstage gemein und auch meine Zuneigung zur Band wurde erstmals auf die Probe gestellt, die vielen Breaks und der hohe Frickelfaktor erreichten für meinen Geschmack die Grenze des Verträglichen und Nachvollziehbaren. Ein Album das, vielleicht sogar aus den angeführten Gründen, viele Verfechter hat.

Symbolic war aus meiner Sicht der richtige Schritt zurück in die Richtung von Human. Straighte Riffs, zwar weiterhin selten lang durchgespielt und gespickt mit kleinen spielerischen Schlenkern, aber trotzdem jederzeit nachvollziehbar, dabei heavy und melodisch zugleich. Empty words beginnt atmosphärisch, akustisch, bevor die Band aprupt in die Vollen geht, bei dem Solo nach dem Chorus verwandelt sich mein Rücken in die reinste Gänsehaut. Melodische Refrains wird man auf allen Death Alben vergeblich suchen, die brauchte es auch nicht, denn die Gitarrenharmonien und Soli´s bieten alles was ein Song an Gefühl und Melodie braucht. Das folgende Sacred serenity ist ebenfalls ein einziges Wechselbad der Gefühle, melancholische Soli´s wechseln mit düsteren Riffs und schweren Drums von King Gene. Unverständlicherweise soll gerade dieses Album Death´s schlechtverkauftestes gewesen sein. Der Sound des Albums gefiel mir damals so gut, das ich mir beim Kauf neuer Boxen zuerst in der CD Abteilung des Media Marktes Symbolic griff um die Boxen anzutesten. Der Verkäufer wollte mir zunächst Bryan Adams unterjubeln, aber Hifi interessierte mich damals nicht besonders, fett sollte es klingen, also schlug man mir ein Boxenset außerhalb des Hörraumes vor und Symbolic schallte kurze Zeit später in ohrenbetäubender Lautstärke durch die ganze Abteilung. Entweder, oder? Da schauten einige Leute ziemlich dumm drein.

Mit Sound of perseverance ´98 , stilistisch zwischen Indiviual.. und Symbolic angesiedelt, wechselten Death zum Nuclear Blast Label. Leider war Gene Hoglan auf diesem Album nicht mehr mit von der Partie. Die Vocals klingen deutlich höher, wahrscheinlich ein Kompromiß um die Akzeptanz bei Blackmetal Fans zu erhöhen. Gutes Album mit akzeptablen Painkiller-Coversong. Schuldiner arbeitete nebenbei noch an einem Projekt namens Control denied Fragile art of existence ´99 und erkrankte an einem Gehirntumor. Um Geld für notwendige Behandlungen zu beschaffen veröffentlichte das N-Blast Label ´01 noch einen Livemitschnitt Live in L.A. mit Bootlegcharakter, das Rock Hard rief u. a. zu Spenden auf. Chuck konnte nicht mehr gerettet werden und verlor den Kampf gegen die Krankheit, die schlimme Nachricht von www.emptywords.org verbreitete sich wie ein Lauffeuer und machte betroffen.

Bei der überwältigenden Teilnahme und diversen eitel Sonnenschein Rückbetrachtungen sollte man aber nicht verschweigen, das Schuldiner auch kein „einfacher“ Künstler war, deshalb oft mißverstanden wurde und mit der Presse seine Probleme hatte. Nach Leprosy erhielt die Band das Angebot mit Kreator auf Tour zu gehen, aber Schuldiner sprang kurzfristig ab, während der Rest der Band die Tour unbedingt durchziehen wollte und dies auch mit Aushilfssänger tat. Death ohne Schuldiner, unvorstellbar, aber damals Realität. Er wurde daraufhin von der Presse scharf angegangen. Schuldiner wollte seine Musik unter unverhältnismäßigen Bedingungen einfach nicht präsentieren, hatte hohe Anforderungen und wenn sich Tourveranstalter nicht an die Vorgaben hielten, dann war es das! Schuldiner machte da keine Kompromisse und es war nicht selten das Death Touren gecancelt wurden. Kompromißlos war Schuldiner dann auch auf der Bühne, da wurde jede aufkeimende Stimmung nach diversen Gassenhauern durch minutenlanges stimmen der Gitarre im Keime erstickt. Ich glaube nicht, das ein Album wie Live in L.A. jemals unter normalen Zuständen mit seiner Zustimmung veröffentlicht worden wäre. Trotz all dieser Kapriolen war mir Schuldiner immer näher, als diverse andere scheinheilige Charakterköpfe der Szene. Man merkte einfach das er diese Musik lebte und nicht aus Geldgier oder Eitelkeit weiterführte. Wenn ich mir Symbolic beim schreiben dieses ewig langen Textes immer wieder anhöre, hört man bei fast jedem Solo wieviel Seele dahintersteckt. Als Gitarrist wurde Schuldiner sträflich unterbewertet, wieviel der mit einem einzigen Solo ausdrücken konnte, einmalig. Man höre Without judgement Stelle 2:12 Minuten und dann kann man eventuell erahnen was ich hier hilflos versuche in Worte zu fassen. R.I.P. Chuck.

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Bleibense Mensch. [/FONT][/I][/COLOR][/FONT]