Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Solokünstler › Britney Spears › Re: Britney Spears
Sonic JuiceIch, der ich offen gestehe, mit der Dark Wave/Gothic-Szene wirklich überhaupt nichts an Schnabelschuh, SM- und Burgfräullein-Gewande zu haben, wage in diesem Zusammenhang mal folgende aus Ignoranz und Distanz gespeiste These:
Ei, hoppla!
War mein Beispiel lediglich rein erläuternder Natur und eher wie eine Fußnote gedacht, so finden wir beide uns plötzlich in einer ganz neuen Diskussion wieder.
Daß dieser Thread hier natürlich der vollkommen falsche Platz für diese Diskussionswendung ist, dürfte dir ja wohl klar sein…
Eventuelle Einwände von anderen Diskussionsteilnehmern in diese Richtung wären dann auch legitim!
Trotzdem antworte ich nur zu gerne auf deine Frage, wie ich das sehe!
Allerdings möchte ich dir gleich am Anfang klipp und klar sagen, daß du zunächst wieder einmal ausschliesslich überstrapazierte Klischees bemühst und was keinesfalls in Ordnung geht, als vollkommen Außenstehender den (mittlererweile durchaus berechtigten) Niedergang einer – in der Vergangenheit tatsächlich nicht ganz unwichtigen – Subkultur mit Worten wie „ist nicht schad drum“ kommentierst!
Dann wäre es nämlich um keine Subkultur, Szene oder Jugendbewegung schade!
Die ja durchaus in den frühen Achtziger Jahren ihre Blütezeit hatten und vielen jüngeren Menschen zum einen ein Zugehörigkeitsgefühl gaben – und zum anderen eine wohltuende Alternative zur allgemeinen Gleichmacherei und Monokultur waren. Bewegungen, von denen die heutigen Jugendkulturen (wie auch immer geartet) noch zehren können.
Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, das der jeweilige Kodex dieser Szenen immer weiter in sich geschlossener (bis zur totalen Abschottung nach aussen), komplizierter, elitärer und nicht zuletzt dermassen weltfremd wurde, daß zum Schluss nur noch das Zerrbild der Szene übrig blieb.
Ein perfektes Beispiel ist nunmal (wie du allerdings richtig erkannt hast) die Gothic-Szene. Eine Szene, die bei ihrem Ursprung ein durchaus hohes Protestpotential mit sich brachte, kurz: Zeitgenossen, die vom Punk angeödet waren – oder denen er einfach zu prollig geworden ist – und/oder der bunten oberflächlichen Neonwelt der Achtziger nichts abgewinnen konnten und eine intellektuell ansprechendere Sichtweise der (kulturellen) Dinge hatten, fühlten sich eben von der Gothic-Szene angesprochen.
Nicht zuletzt sind natürlich auch die von dir aufgeführten z.T. nachträglich eingeflossenen Marotten und Strömungen wie S/M-Themen, extrem weltabgewandtes Mittelaltergedöns, (Möchtegern-)Satanismus, Neuheidentum bis hin zu rechten Umtrieben, der Grund für mich und viele andere Leute war, diesem nicht mehr tolerierbaren Treiben den Rücken zuzukehren. Ein anderer Grund eben auch die wachsende Inhalt- und Substanzlosigkeit der nachgewachsenen musikalischen Protagonisten. Das stimmt natürlich, daß Bands wie Lacrimosa diesen Habitus nur noch aus internen Szenebeweggründen drauf hatten – und ihren Job so machten, was das Klischee von ihnen verlangte, nicht mehr, nicht weniger! Einer meiner Hauptkritikpunkte seit ca. Anfang der Neunziger Jahre! Diesen Punkt hast du schön entdeckt, Gratulation! Was aber wirklich nicht schwer war, oder? Schaut man sich ergo alle anderen Szenen an, da läuft’s nämlich ähnlich!
Und wenn die „Godfathers of Goth“ (ausser JOY DIVISION natürlich, die Szene entstand erst nach Ian Curtis‘ Tod – was aber ein Grundstein für die spätere Existenz dieser Szene darstellt…) wie THE CURE, Nick Cave, SISTERS OF MERCY, BAUHAUS, etc. später gerne sich öffentlich distanzierten, so taten sie es mit einer Koketterie, die man ihnen wirklich NIE ganz abkaufen konnte. Immer wieder kreuzten sich die Wege der Szene und den „abgesprungenen“ Künstlern, bauten sich Bezugspunkte auf und beide verloren sich nie wirklich aus den Augen. Auch wenn Nick Cave oder THE CURE mittlererweile ein extrem breitgefächertes Publikum haben, so tauchen immer wieder Aussagen in Interviews auf, die den historischen Werdegang und die Verknüpfung freiwillig oder unfreiwillig auf’s Trapez bringen.
Auch wenn sich natürlich die Mode und der Habitus immer mehr „verfeinerten“ und es richtig absurd wurde (z.T. war die Gothic-Szene mal näher an den Hippies dran als überhaupt noch an ursprünglichen Punk-Einflüssen…) so verliess sie lange Zeit niemals ihre „Gründerväter“ aus den Augen – erst ca. mit dem dritten Generationswechsel wurde dies anders, die Vermarktung und Verwässerung hin zur Bedeutungslosigkeit vollzog sich nun fast völlig – und so kam’s zu der melodramatischen Halloween-Faschingsveranstaltung, so wie wir sie heute wahrnehmen.
Kurz, jetzt haben wir beide die epische Fassung von dem verbrochen, was ich im Prinzip in meinem kurzen Statement von heute mittag schon angedeutet hatte…
An dieser Stelle ein dickes Sorry an alle Britney-Fans, daß wir deren Thread dermassen „mißbraucht“ haben, aber auch so lernt man was über Musikangeschlossene (andere) Themen…
--
I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad