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Uhrwerk der Emotionen – Eine Werkschau macht Appetit auf die Zukunft: Toto in der Stuttgarter Porsche-Arena
Sechs lange Jahre ließen sich Toto für ihr jüngstes Album Zeit. Nahezu pausenlos wird jedoch getourt. Doch während „Falling in between“ erneut eine überraschende Werkschau mit abwechslungsreichen musikalischen Ideen wurde, macht sich der Tourstress bei der kalifornischen Band zunehmend körperlich bemerkbar. Keyboarder David Paich, immerhin Verfasser einiger Rock-Evergreens, nimmt die Reisestrapazen erst gar nicht mehr auf sich.
In der nicht ausverkauften Stuttgarter Porsche-Arena fehlte überdies Bassist Mike Porcaro wegen Handschmerzen. Und Gitarrist Steve Lukather benötigt während eines Keyboardsolos minutenlang eine chiropraktische Rückenmassage. Eine Seelenmassage ist dafür das Konzert. Ohne größere Anzeichen von Schwäche zeigen sich Toto von einer vielseitigen Spielfreude. Mit beherzter Individualität und persönlicher Freiheit leben sich die Musiker zwischen plüschigen Melodien, jazzigen Diskursen, Rockattacken und funkigen Grooves zwei Stunden lang aus, beginnend mit „Falling in between“ und ausklingend mit dem stets wunderbar perlenden „Africa“.
Zwischen dem messerscharf-akuraten Opener, der sowohl in den rockigen als auch in den ruhigen Momenten fesselt, und ihrem bekanntesten Top-Hit lassen Toto grazile, anspruchsvolle Rockwelten aufgehen. Das mit einem Zusatz-Gitarristen verstärkte, sechsköpfige, nach Dorothys Hund in dem Märchenfilm „Wizard of Oz“ benannte Musiker-Kollektiv aus Los Angeles spielt an diesem Abend alles andere als lahmen Altherren-Poprock. Viele Melodien wissen auch in Akustikversionen zu faszinieren, viele Soundteppiche haben Tiefgang und Charisma, und die meisten der 20 Songs sind extraordinär arrangiert mit extremen Rhythmuswechseln, Viersatzgesang und verblüffenden Breaks.
Die instrumentalen Fähigkeiten der Protagonisten sind wie immer über jeden Zweifel erhaben. Diszipliniert und präzise wie ein Schweizer Uhrwerk setzen die ehemaligen Studiomusiker, die sich 1977 zusammenschlossen, vermeintlich sterile Kompositionen in emotionsgeladene Live-Ergüsse um. Allen voran der begnadete Saitenmagier Lukather. Ganz besonders ihm schauen knapp 4000 Fans mit Bewunderung auf die flinken Finger. Seine früher oft übertriebenen Kabinettstückchen ordnet er diesmal der kreativen Stringenz unter. Schlagzeuger Simon Phillips trommelt mit Variantenreichtum alter Schule. Der bärtige Ersatz-Bassist Leland „Lee“ Sklar, der schon für Phil Collins und James Taylor werkelte, zupft coole Grooves, während Keyboarder Greg Phillinganes (Stevie Wonder, Eric Clapton, Michael Jackson) mit viel Leidenschaft neben seinen instrumentalen auch gesangliche Qualitäten offenbart. Sein überlanges Solo gerät freilich stinklangweilig. Und auch bei Bobby Kimball, der mit bürgerlichem Namen Robert Toteaux heißt, gilt es, Abstriche zu machen. Teilweise presst der Ur-Sänger, der seit „Mindfields“ (2001) wieder mit an Bord ist, arg aufgekratzt seine Vokalpartien hinaus. Erst allmählich fließt das kopfstimmengeprägte Shouting in ruhigere Bahnen.
Dennoch ist der Auftritt insgesamt ein homogenes, facettenreiches Gesamtprodukt. Ansprechende melodiöse Rocksongs („Caught in the Balance“) gehen über in schöne, elegische Balladen („Bottom of your Soul“) und enden mit sehr progressiven Stücken wie dem pfeilschnellen „Gypsy train“ und „Drag him to the roof“, die dem Konzert erdige Power vermitteln. Professionell, entspannt und elegant geben Toto ihrem Mainstream-Rock Zucker, wie bei der Eddie-van-Halen-Hommage „Taint the world“. Partiell öffnen sie sich zudem moderneren Stilen und betreiben sogar ein bisschen Fusion, das so manchem harten Riff zugute kommt. Beispielsweise bei „Rosanna“, das sie einleitend mit einer Jazzversion regelrecht verstümmeln. Dann aber kriegen sie die Kurve zum brillanten Kulminationspunkt des Songs.
Mehr denn je klingen Toto in solchen Momenten wie Klassiker ihrer selbst, und das in überzeugender Manier. Es ist immer wieder eindrucksvoll, wie die Band harmonische, relaxte Rockelemente in einen derartig knackigen, mitreißenden Sound kleidet. Allzu oft werden Lukather & Co auf ihre allseits bekannten Hits wie „Hold The Line“, das in der Porsche-Arena natürlich auch gespielt wird, reduziert. Aber das Konzert beweist, dass die Band die Erfolgskonzepte der Vergangenheit nicht einfach nachspielt, sondern weiterentwickelt. Dieser Stil macht Appetit auf Zukünftiges.
Von Ingo Weiß
Quelle: ez-online
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