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Hallo allerseits,
Hier ist nun meine ausführliche Kritik. Anregungen und Kritik Eurerseits sind natürlich immer willkommen.
Mir ist bewusst, dass ich in der Kritik sehr viel wiederhole, was bereits im Forum angeklangen ist. Das liegt vor allem daran, dass ich in vielen Punkten mit dem hier gesagten übereinstimme, was beispielsweise Keith oder den Sound angeht. Aber natürlich haben mich die Ausführungen hier beeinflusst, das ist keine Frage.
http://www.regioactive.de/story/5457/the_rolling_stones_in_frankfurt.html
Es gibt einen fundamentalen Widerspruch in der Rockmusik zwischen Konzerten in (Fußball)-Stadien und dem Wesen der Musik, die eigentlich nach intensiver Interaktion zwischen Publikum und Künstlern verlangt. In einer kleinen Konzerthalle oder einem Club ist es für den Künstler viel einfacher, in Kontakt mit dem Publikum zu treten, in einem Stadion steht der Künstler vor der eigentlich kaum zu bewältigenden Aufgabe, Hunderte von Metern weit entfernte Zuschauer zu animieren und ihnen den Eindruck zu vermitteln, sie seien genau so Teil des Konzertes wie das Publikum vor der Bühne.
Zu den unbestrittenen Meistern in der Kunst der Einbeziehung des Publikums gehört Mick Jagger. Mit scheinbar grenzenloser Energie rennt er von einer Seite der Bühne zur anderen, von vorne nach hinten, animiert das Publikum zum Mitsingen und Mitklatschen und teilt ihm auf diese Weise mit: „Ihr seid auch mit dabei. Ich, Mick Jagger werde Euch heute Abend unterhalten. Macht mit!“ Und das Publikum macht natürlich mit. Wie könnte es sich diesem Angebot verweigern?
Da vielen Zuschauern das Phänomen Rolling Stones bzw. Mick Jagger vertraut ist, strömen am gestrigen Abend die Massen in die Commerzbank Arena in Frankfurt. Aufgrund des schleppenden Ticketverkaufs hatten die Veranstalter zunächst die Ticketpreise deutlich gesenkt und anschließend großzügig Freikarten verteilt, mit dem Erfolg, dass die Arena gut gefüllt war. Da die Rolling Stones vermutlich eine der wenigen Bands sind, die Eltern und ihre Kinder gemeinsam besuchen können, ohne einander uncool zu finden, ist das Publikum erfreulich gemischt – zwischen 12 und 72 scheinen alle Alterstufen vertreten zu sein.
So ist der Abend vom steten und weitgehend erfolgreichen Versuch der Rolling Stones zu sein, ihrem Publikum nahe zu kommen, die Barriere zwischen Zuschauer und Band möglichst niederzureißen. Die unglaubliche Bühnenpräsenz von Jagger ermöglicht es ihnen, dabei weitgehend auf eine überzogene Bühnenshow zu verzichten. Auf Lasershows oder anderen aufwändigen Mumpitz verzichtet die Band dankenswerterweise, den einen oder anderen pyrotechnischen Effekt mal ausgenommen. Die in den Innenraum ausfahrbare Bühne erzeugt – zumindest für einige Minuten – fast so etwas wie eine Club-Atmosphäre. „Ich kann in Eure Augen sehen“, sagt Jagger – nachdem die Bühne nach vorne gefahren ist – auf Deutsch und man spürt, dass die ausfahrbare Bühne kein Gimmick ist, sondern auf einem klar durchkalkulierten Plan beruht. Dadurch wird das Konzert erst wirklich lebendig, dadurch erst springt der Funke auf das Publikum über. Viele stehen auf und tanzen und klatschen, als die Stones ihre großen Hits wie Satisfaction anstimmen.
Was den Auftritt der Rolling Stones aber vor allem gelingen lässt, ist der Umstand, dass der Kern der Band nach so vielen Jahren immer noch intakt ist: Backgroundsänger, Bläser und andere zusätzliche Musiker überfrachten das Konzert nicht, sondern dienen der gezielten Verstärkung der vier Musiker, die den Kern des Geschehens bilden. Ihr Engagement stellt sicher, dass die Rolling Stones kein blasser Abklatsch früherer großer Tage sind und keine Selbstparodie, die mehr Mitleid als Begeisterung erzeugt.
Das soll freilich nicht heißen, dass der Auftritt reibungslos verläuft. Während Mick Jagger auch stimmlich immer noch in guter Form ist, wirkt Keith Richards etwas gehemmt, vielleicht auch körperlich angegriffen. Ron Wood hatte hingegen einen guten Abend erwischt und vermag durchweg zu überzeugen. Gegen Ende des Konzertes werden die Darbietungen gelegentlich etwas nachlässig, für einen kurzen Moment verschwindet Charlie Watts, dann ist Keith Richards Gitarre nicht zu hören. Der alles andere als perfekte Sound in der Commerzbank Arena verhindert die notwendige Klarheit der Instrumente und des Gesangs, so dass der Zuschauer sich durch ausgewachsenen Soundmatsch durchkämpfen muss.
Den eindeutigen und unbestrittenen Höhepunkt bilden die großartigen Versionen von Sweet Virginia und Midnight Rambler, wobei die Stones letzteres – wie schon so häufig – als Basis für einen fast fünfzehnminütigen Bluesrock-Workout benutzen. In musikalischer Hinsicht war der erste Teil des Konzertes insgesamt stimmiger. Die beiden Lieder, bei denen Keith Richards den Gesangspart übernahm, Wanna Hold You und Before They Make Me Run, fallen im Vergleich zu Jagger sehr ab, so dass dessen Rückkehr auf die Bühne umso enthusiastischer bejubelt wird. Obwohl die Stones im zweiten Teil der Show fast nur ihre großen Hits wie Satisfaction, Paint It Black, Honky Tonk Women, Brown Sugar und Sympathy For The Devil spielen, fehlte es ihnen trotz der enthusiastischen Reaktion des Publikums an Präzision, um ein musikalisch durchweg gelungenes Konzert zu spielen. Mit der einzigen Zugabe Jumpin’ Jack Flash verabschiedet sich die Band nach gut zwei Stunden vom Frankfurter Publikum, das sie ausgelassen feiert und sicherlich noch für weitere Zugaben ausgeharrt hätte.
Trotz mancher Defizite bleibt daher festzuhalten, dass der Abend ausgesprochen kurzweilig verlief. Die zwei Stunden vergingen im Flug und kaum jemand dürfte sich schlecht unterhalten gefühlt haben. Die Rolling Stones sind sicherlich dazu in der Lage, bessere Konzerte zu spielen als am gestrigen Abend. Allein die Tatsache, dass sie noch immer als Band existieren und in der Lage sind, Tag für Tag ein gewaltiges Publikum zufrieden nach Hause zu schicken, ist nichts weniger als bemerkenswert. Dieser Umstand sollte für alle Fans der Rockmusik ein Grund zur Freude sein. Wie schnell die guten Zeiten zu Ende gehen können, daran erinnerten die Rolling Stones selbst mit ihrer Version von I’ll Go Crazy, mit dem sie an den im letzten Jahr verstorbenen James Brown erinnerten, einen der größten Livemusiker aller Zeiten.
http://www.regioactive.de/story/5457/the_rolling_stones_in_frankfurt.html
Setlist (mit Dank an Jan Wölfer): Start Me Up – You Got Me Rocking – Rough Justice – Monkey Man – Sweet Virginia – Midnight Rambler – I’ll Go Crazy – Tumbling Dice – Wanna Hold You – Before They Make Me Run – It’s Only Rock’n’Roll – Respectable – Satisfaction – Honky Tonk Women – Paint It Black – Brown Sugar – Zugabe: Jumpin‘ Jack Flash
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.