Re: Twang! Records

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mikko
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The Story of Twang! Records – Part Three

Inzwischen sind wir im Herbst 1994 angekommen. The Lemonbabies gehen auf ihre erste größere zusammenhängende Tournee durch Deutschland und Österreich. Und The Grip Weeds aus New York begleiten sie als Support, obwohl die Grip Weeds technisch die weit bessere Band sind. Aber sie allein würden halt kein Publikum anziehen. Es kennt sie ja niemand. Vor allem die Brüder Reill, deren Vorfahren aus Dresden stammen, sind von Europa völlig fasziniert und besuchen jedes Museum, jede Kirche, jede Altstadt, jedes Schloss und jede Burg, soweit es die Zeit während der Tournee zulässt. Dass wir an einem Tag durch drei Länder fahren, finden sie auch total abgefahren. Hier in Europa ist alles halt etwas kleiner und enger als in den USA.

01. Out Of Today – The Grip Weeds (USA, 1994)
Im Sommer 1994 erschien das Debütalbum der Grip Weeds „House Of Vibes“. Die CD Version auf ihrem eigenen Label Ground Up Records und die LP in blauem Vinyl auf Twang! Die Band bestand inzwischen neben den Brüdern Rick Reill (g, voc) und Kurt Reill (dr, voc) aus Kristin Pinell (g, voc) und Mick Hargreaves (bs, voc). Der Sound der Grip Weeds ist im weitesten Sinn Sixties orientiert. The Left Banke, The Move, The Who u.a. standen Pate. Hier beim Opener der LP geht es allerdings eher im Stil des Spätsiebziger Power Pop zur Sache.

02. Cry Baby Killer – Cuban Rebel Girls (D, 1994)
Die erste Single dieses paritätisch besetzten Berliner Quartetts erschien auf Twang! Der Bandname ist einem Tav Falco Song entlehnt. Und damit ist auch die musikalische Richtung klar. Garage Pop und Rock’n’Roll aus den USA, Americana mit Biss. Das Cover der 7“ wurde übrigens von der Band in Handarbeit gefalzt und geklebt, 800 mal. Es sind immer noch ein paar Singles übrig.

03. Gimme Danger – Rudi Protrudi (USA, 1994)
Rudi Protrudi muss ich hoffentlich nicht groß vorstellen. Mit The Fuzztones gehörte er zur ersten Generation der Neo Sixties, Neo-Garage Bands in den späten 70s und frühen 80s. Inzwischen lebt Rudi in Berlin und macht fleißig neue Fuzztones Platten mit seiner Lebensgefährtin Lana Loveland und jüngeren Mitmusikern. 1994 lebte er einige Zeit in Holland, wo er auch öfters allein auftrat und akustische Shows spielte. In dieser Zeit nahm er auch eine Reihe Coverversionen allein und nur akustisch auf. Zwei dieser Tracks landeten auf einer limitierten Twang! 7“45. „Gimme Danger“ ist im Original von The Stooges.

04. You Make Me Feel Younger Than I Am – The Groovy Cellar (D, 1995)
The Groovy Cellar, benannt nach einer Lokalität im Swinging London der frühen Eighties, sind eine der beständigsten Berliner Gitarrenpop Bands. Dies ist die B-Seite ihrer einzigen Twang! Single. Der Song ist u.a. eine Hommage an die Berliner Neo-Sixties Szene der Achtziger und frühen Neunzigerjahre. Und ehrlich gesagt, es ist eine der besten Veröffentlichungen auf Twang! und des Jahres 1995. Leider fiel ein Teil der Auflage von 1000 Stück einem Wasserschaden in meinem Lager zum Opfer. Aber nicht nur deshalb ist es nun eine der teuersten Twang! Raritäten.

05. Whore – King Here After (S, 1995)
Im ersten Moment könnte der Gegensatz zur vorherigen Single nicht größer sein. Aber wenn man genau hinhört, bemerkt man, dass es auch hier eine tolle Melodie und durchaus Pop Appeal gibt. King Here After waren eine schwedische Band aus Uppsala. Stilistisch haben sie sicher mehr mit Clawfinger oder den TSOOL Vorgängern Union Carbide Productions gemeinsam als mit den meisten Twang! Labelmates. Live waren sie hervorragend, und auch ihre vielen unveröffentlichten Studioaufnahmen zeugen von großem Talent und Spielvermögen. Leider ist außer einer 2-Track Promo CD neben der Twang! 7“ nie mehr von ihnen erschienen. Von der Single gibt es noch etliche.

06. Miracles – Looney Tones (D, 1995)
Große Beatles und Power Pop Adepten waren diese Jungs aus Berlin, die sich durch viele professionelle Gigs schnell eine gewisse Fan Gemeinde in Berlin und seinem Umland erspielten. Eine 5-Track CD, von der Band selbst finanziert, erschien im Frühjahr 1995 auf Twang! und war aus den genannten Gründen sehr schnell ausverkauft. „Miracles“ wurde auch eine zeitlang häufig in Berlin im Radio gespielt. Die Jungs waren auf einen Major-Deal aus, der aber nicht kam. Also löste sich die Band auf. Auch hier gibt es durchaus hörenswertes unveröffentlichtes Material.

07. Psychedelic Situation – The Twang All Stars (D, 1995)
Die Idee zu einer Twang! Compilation in Form einer limitierten Box kam mir im Sommer 1995, weil ich einerseits glaubte, die Zeit sei reif für so etwas. Und andererseits hatte ich viele gute Tracks auf Halde, deren Veröffentlichung als Single etwa zu riskant und kostspielig schien. Also erschien im Herbst 1995 eine Doppel-CD mit insgesamt 44 Tracks unter dem Titel „Tomorrow’s Pebbles Today“. Die CDs waren aber nicht in einem schnöden Jewelcase verpackt, sondern in einer Pappschachtel im 7“ Format mit einem umfangreichen Booklet ebenfalls im Format 18×18 cm sowie einer echten 7“45, die zwei Tracks bot, die eine Twang All Star Band extra für mich und unter meiner Anleitung eingespielt hatte. Einer dieser Tracks ist ein Cover von „Psychedelic Situation“, im Jimmy Curtiss Original immer noch eine meiner liebsten 7“45s aller Zeiten! Die Box wurde von mir handnummeriert bis zur Nummer 444. Den ersten 350 Stück lag auch noch ein T-Shirt mit dem beliebten Twang! Motiv bei. Diese Jubiläumsbox ist natürlich längst vergriffen. Die Aufnahme von „Psychedelic Situation“ hier klingt leider etwas zu brav und dünn, was den technischen Gegebenheiten im Studio damals geschuldet ist. Zum Teil wenigstens.

08. Beetle Bop – The Weirdo Stompers (D, 1995)
The Weirdo Stompers sind eine reine Instrumentalband. Gegründet Anfang der 1990er Jahre in Berlin vom Beatitudes und Black Carnations Gründer Sandy Hobbs (a.k.a. Uwe Sandhop) spielt die Band inzwischen in etwas verändertem Line-Up nach wie vor sporadisch live in Berlin. Eine Platte der Weirdo Stompers ist aber bis heute nicht erschienen. Dieser Track hier wurde bereits kurz nach Gründung der Band eingespielt, wie übrigens auch etliche andere, die dem Bandleader für eine Veröffentlichung nicht gut genug sind. Wie alle folgenden Tracks erschien „Beetle Bop“ im Rahmen der Compilation „Tomorrow’s Pebbles Today“.

09. Ooh, My Head – The Beatitudes
(D, 1995)
Das ist eine Aufnahme aus dem Jahr 1984, die es damals nicht auf die Beatitudes EP schaffte. Dabei war der Song eigentlich ein Live Favourite. Und die Band spielte ihn sogar zum Vollplayblack in einer Show des AFN-TV in Berlin im Jahr 1984. Stilecht in schwarz/weiß sieht der Mitschnitt dieses Auftritts aus wie aus American Bandstand oder dem Beat-Club entlehnt. Eigentlich sollte ich mal gelegentlich eine Beatitudes Compilation machen. Da gibt es auch noch die eine oder andere unveröffentlichte Nummer.

10. Silly Season – The Groovy Cellar (D, 1995)
The Groovy Cellar wurden 1991 in Berlin gegründet. Die Band spielt in der Tradition von Britpop und Mod, von TV Personalities, The Times, Cleaners From Venus bis zu The Jam. Platten und CDs erschienen u.a. bei Firestation Records und Marsh Marigold. Ein neues Album der Band ist übrigens fast fertig und soll demnächst als Vinyl LP rauskommen. Allerdings nicht auf Twang! Mir fehlt einfach das nötige Kleingeld.

11. Each Gray Day – Les Black Carnations (D, 1995)
Die Black Carnations waren ja Anfang 1986 pünktlich zum Erscheinen ihrer ersten Mini-LP in alle Winde zerstoben. Aber während Justine Time sich in Katharina Franck umbenannte und mit den Rainbirds ihre eigenen Songs sang und spielte, sammelte Sandy Hobbs nach und nach neue (und alte) Musiker um sich. Leadsängerin war für leider nur kurze Zeit Claudia Fitzi, die später übrigens bei The Groovy Cellar am Anfang mitmachte. „Each Gray Day“ entstand 1987 und wäre, wenn ich es mir heute so überlege, eine tolle Single gewesen.

12. Little Red Guern – The Petals (USA, 1995)
Als ich The Petals aus Wisconsin nach einem Track für meine Compilation fragte, schickten sie mir sofort ein Tape von diesem Titel hier. Ich weiß nicht ob die Band heute noch existiert. Jedenfalls ist der Bandleader Cary Wolf irgendwann Ende der 1990er Jahre an die Ostküste gezogen, wo er soweit ich weiß als Lehrer arbeitet. Drei Alben gibt es von The Petals auf ihrem eigenen Label November Rain.

13. Tell Me – Swinging London
(D, 1995)
Swinging London waren eine Mod Band aus München. Es gab personelle Überschneidungen mit The Heartbeats, aber bei Swinging London sang ein Mod Girl die zweite Stimme. Obwohl die Band regelmäßig live spielte und ein ordentliches Repertoire hatte, gab es außer einer 7“ und ein paar Sampler Beiträgen wie diesem hier keine Platten der Band. Diese Aufnahme hier entstand um 1990.

14. You’re Bringing Me Down – Cuban Rebel Girls
(D, 1995)
Aus der Studio Session zur ersten Single war dieser Track übrig geblieben. Die Cuban Rebel Girls spielten übrigens Mitte der 1990er Jahre auch einige Gigs in den USA zusammen mit Greg DiGesu, den der aufmerksame Leser und Hörer von Fishermen’s Stew kennt. 1997 erschien ihre LP „Blood Orange“ bei Veracity Records. Leider ging das Label bald danach pleite, und aus der besten deutschen Veröffentlichung des Jahres ’97 wurde kein Hit Album. Die Sängerin der Cuban Rebel Girls lebt inzwischen in Spanien und ist dort mit Gabi Delgado-Lopez verheiratet, der einen Hälfte von DAF. Die Bassistin ist Musiker Anwältin in Berlin, und der Drummer schreibt Drehbücher für Film und Fernsehen.

15. Madness Is Mine – Lost Patrol (Canada, 1995)
Lost Patrol sind eine Band aus der Gegend von Toronto, Kanada. Wenn ich mich recht erinnere, schickten sie mir irgendwann ein Demotape, das mir gut gefiel, vor allem dieser Track hier. Ursprünglich als Single geplant landete „Madness Is Mine“ schließlich in der Jubliläumsbox. Von Lost Patrol erschien eine LP in Frankreich und noch der eine oder andere Sampler Beitrag. Ob die Band noch existiert, weiß ich nicht. Ich bezweifle es aber. So lange hält kaum eine Band durch, ohne einen gewissen Erfolg.

16. The Day The Earth Stood Still – The Stormclouds (UK, 1995)
Auch das sollte ursprünglich eine Twang! Single werden. Die Stormclouds hatte ich über das englische Fanzine Unhinged kennen gelernt. Gegründet 1986 waren The Stormclouds ein Duo aus Steve Lines, der alle Instrumente spielte, und Louise Allen, die wunderbar sang. The Stormclouds veröffentlichten ihre Musik anfangs vor allem auf Kassetten Labels wie Acid Tapes, das von Steve Lines selbst betrieben wurde. Die Diskografie der Band ist ziemlich umfangreich. „The Day The Earth Stood Still“ erschien 1996 auch auf dem Album „The Boy With The X-Ray Eyes“ bei Elefant Records in Spanien.

17. Young – Love Bomb (D, 1995)
Wenn ich mich nicht irre, dann ist das die einzige Veröffentlichung der Berliner Band Love Bomb. Der Leadgitarrist von Love Bomb spielte in der ersten Besetzung der Weirdo Stompers. Außerdem betrieb er ein kleines Studio in Berlin Wedding. In diesem Studio waren die Aufnahmen der Twang All Stars entstanden. Also war es nahe liegend, dass ein Track seiner eigenen Band nun auch auf der Twang! Compilation landete. Die Band Love Bomb war allerdings nicht sehr beständig, obwohl ihr frischer Power Pop Sound durchaus hörenswert ist.

18. Good Girls Go To Heaven – Most Wanted Men
(D, 1991/1995)
Ohne die TV Personalities hätte es die Most Wanted Men wohl nie gegeben. Olaf Schumacher kam aus Karlsruhe zum Studieren nach Berlin. Großer Dan Treacy Fan war er schon lange. Und Kunde in der Twang-Tone Vinylwarenhandlung war er auch von Anfang an. Das Trio Most Wanted Men wurde so um 1987 in Berlin gegründet. Olaf schrieb die Songs ganz im Stil von Dan. Aber natürlich erzählen seine Songs seine Geschichten, seine Erfahrungen und seine Reflektionen. Most Wanted Men waren immer eine meiner liebsten Bands aus Deutschland. Eine EP erschien damals und ein paar Tracks auf verschiedenen Samplern. Auch dieser hier wurde ursprünglich auf einer Kassetten Compilation veröffentlicht. Das Gesamtwerk der Most Wanted Men erschien 2004 unter dem Titel „Revisited“ bei Marsh Marigold in Hamburg. Olaf Schumacher ist heute Hauptsongschreiber und Gitarrist von The Groovy Cellar.

19. Anything About You – The Treblemakers (USA, 1995)
The Treblemakers spielten zwischen 1992 und 95 in der San Francisco Bay Area Garage Pop, Mod Beat und Folk Rock ganz in der Tradition solcher Bands wie The Byrds, The Chocolate Watchband, The Beau Brummels u.a. Einer der Jungs – ich glaube Sänger und Gitarrist Jeff Jacks – lebte damals für einige Zeit in Berlin. So kam ich in Kontakt, und eigentlich hätte „Anything About You“ als 7“45 erscheinen sollen. Die Nummer ist wirklich großartig und wäre eine Top Single gewesen. Die Veröffentlichung in der Twang! Box ist tatsächlich die einzige dieser tollen Band geblieben. Bassist der Band war übrigens ein gewisser Alec Palao, den aufmerksame Leser von Liner Notes als Autor diverser Band Bios von Rhino und Sundazed Reissues kennen.

20. Eight Miles – The Great Potato Fair (D, 1995)
Eine Berliner Band, die ich durch ein Demotape entdeckt hatte. Auch hier dürfte das die einzige Veröffentlichung der Band sein. Ein wunderbarer Track, der ohne Weiteres von einer Band aus Texas, Arizona oder Kalifornien stammen könnte. Was aus den Jungs und dem Mädel geworden ist, ich weiß es nicht. Jedenfalls bin ich froh, dass diese Nummer den Weg in meine Twang! Box gefunden hat.

In Teil IV geht es zunächst noch mit der Box „Tomorrow’s Pebbles Today“ weiter. Und schließlich nähern wir uns der Gegenwart bis zu den letzten Veröffentlichungen auf Twang! Stay tuned and watch out!

Wer noch erhältliche Platten haben möchte, weiter oben im Thread ist ein Liste.

Übrigens biete ich regelmäßig auch Platten und CDs zum Festpreis bei Ebay an. Nach den Regeln des Forums darf ich das Angebot dort nicht hier verlinken. Sucht nach dem Verkäufer twang-tone. Alle Preise dort enthalten die Versandkosten. Für User des Forums sind die dortigen Preise noch verhandelbar. Einen Verkaufsthread hier im Forum zu pflegen, ist mir ehrlich gesagt zu viel zusätzlicher Aufwand.

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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!