Re: Hang the DJ Pt.2

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wolfgang-doebeling
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KICKS ON 45 & 33

Registriert seit: 08.07.2002

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@ Nihil

Das wäre ein abendfüllendes Thema. In Kurzform: ich kannte MTV von US-Aufenthalten und war zunächst Feuer und Flamme, als es in Europa eingeführt wurde. Sah darin eine sinnvolle visuelle Ergänzung zum Audio-Vergnügen, habe das auch publizistisch offensiv vertreten, in Leitartikeln, bei Podiumsdiskussionen, in einer mehrteiligen Titelgeschichte im „Tip“, etc. War ja sehr umstritten, diese Clips-Kultur. Natürlich wurde ich dafür angefeindet, primär von jenen „Kulturschaffenden“, die ich kritisierte. Allen voran die Fraktion der „ehrlichen“ Musikmalocher, die Macher des „Rockpalast“ etwa oder, noch schlimmer, die von „Ohne Filter“. Die waren stolz darauf, daß in ihren Sendungen kein Playback lief und alles „handgemacht“ war. Und liefen daher seinerzeit Sturm gegen das Medium Video-Clip. Da wurde das Ende von Live-Musik als Menetekel an die Wand gemalt, man wetterte gegen den Moloch Music-Biz, der mit „manipulativen Werbefilmchen“ billigsten „Plastikpop“ unter die Leute bringe. Ein WDR-Redakteur namens Rüchel nannte mich bei einer live im RIAS übertragenen Diskussion über das Pro und Contra zu MTV einen „Totengräber richtiger Rockmusik“, ein anderer Diskutant (vom Saarländischen Rundfunk, glaube ich) mutmaßte gar, ich hätte mich von MTV „einkaufen“ lassen. Soviel zum Aufbruch in die MTV-Ära: kontrovers, ich dafür.
Fast forward: nun nicht mehr kontrovers, ich dagegen. Unglaublich, mit welchem Tempo das Medium im allgemeinen und MTV im besonderen allen Kredit verspielte. Die (ästhetische) Qualität der Clips wurde schnell mieser, viele ergingen sich nur noch in abgefilmter Synchron-Hopserei (euphemistisch „Tanz“ genannt). Gleichzeitig wurden sie immer teurer, weitaus teurer bald als die Produktion der Musik, die sie illustrieren sollten. Das führte zu einem Primat der Bilder über die Töne, des Marketing über das Repertoire. Eine Verselbständigung, die meist auf Kosten von Musik und Künstlern ging. Irgendwann in dieser Phase, Ende der 80er Jahre, verlor ich das Interesse daran. Dann wurde es noch übler, Stichwort Infantilisierung durch Viva. Eine Konkurrenz, die MTV mitbanalisierte, ähnlich des Einflusses, den die privaten TV-Sender auf die öffentlich-rechtlichen seit gut zwei Jahrzehnten ausüben. Ein Sog nach unten. Und immer, wenn man denkt, es ginge nicht mehr ekliger, wird man eines besseren belehrt. Mittlerweile kommt Musik bei Music Television kaum noch vor, allenfals als Schmiermittel für Game Shows oder Doku-Soaps. Eltern, die ihre Kinder verkuppeln. Oder prollige Creeps, die Blechkisten aufmotzen. „Pimp My Ride“ nennt sich das, wobei sich das Wörtchen „Pimps“ tatsächlich ganz gut eignet zur Charakterisierung der MTV-Verantwortlichen. Zuhälterei.

@ RipleysBlues

Die amerikanische Originalpressung klingt keinesfalls flach, im Gegenteil: sehr dicht, kompakt, dynamisch. Viel Körper und wenig Luft, kongenial zur Musik. Die ist ja auch atemlos, archaisch, passioniert. Ebenfalls empfehlenswert ist das japanische Reissue der 80er Jahre: ein wenig transparenter vielleicht, aber bei weitem nicht so durchsichtig, flach und fade wie die SA-CD-gemasterten Reissues vor einigen Jahren.

@ Hat and beard

Okay, meine Top10 der Meek-Singles:
1. JOHN LEYTON – Johnny Remember Me * * * * *
2. THE TORNADOS – Telstar * * * * 1/2
3. THE CRYIN‘ SHAMES – Please Stay * * * * 1/2
4. THE HONEYCOMBS – Have I The Right * * * * 1/2
5. JOHN LEYTON – Wild Wind * * * *
6. THE MOONTREKKERS – Night Of The Vampire * * * *
7. HEINZ – Just Like Eddie * * * *
8. MICHAEL COX – Angela Jones * * * *
9. THE CAMEOS – Powercut * * * *
10. THE TORNADOS – Robot * * * *
Dann „Sunday Date“ von den Flee Rekkers, „A Tribute To Buddy Holly“ von Mike Berry, etc.

CCR-45s
1. Have You Ever Seen The Rain * * * * 1/2
2. Bad Moon Rising * * * * 1/2
3. Green River * * * *
4. Travellin‘ Band * * * *
5. Long As I Can See The Light * * * *
Anmerkung: die Flipsides waren oft besser als die A-Seiten, z.B. „Lodi“ oder „Who’ll Stop The Rain“, beide * * * * *

@ Sinnerman

Kenne das Buch nicht, aber wenn Dobler sauber seine Quellen nennt, müßte da irgendwo stehen: Doebeling, Rolling Stone. Denn diese Information kann er nur aus jenem Gespräch mit Bob Johnston haben, das ich seinerzeit in Nashville führte und das vor knapp 10 Jahren (?) mehrseitig im RS abgedruckt war. Weil es das einzige Interview war, das BJ überhaupt gewährte. Dort kannst Du dann auch genaueres nachlesen (ja, es stimmt, Bob und Townes hatten das vor, definitiv).

@ guenterdudda

Zwanzig? Ich könnte Dir keine zwei nennen. Zwar weiß ich, daß es in der handgestrickten Liedermacherei auch ein Qualitätsgefälle gibt, zwar ist mir durchaus bewußt, daß Wader neben Degenhardt oder Süverkrüp oder Maurenbrecher zu den erträglicheren deutschen Barden gehört und bei weitem nicht so anstandsbanal und miefig ist wie der unsägliche Mey, aber mein Interesse am folkloristischen Liedgut teutonischer Provenienz hält sich ungefähr in denselben engen Grenzen wie mein Interesse für Operetten, deutsche TV-Krimis, Faschingsgaudi, Fahnenschwenken, Strickwesten und Sonnenbrand.

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