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Wolfgang Doebeling
@ ClauDie Rolle der LP läßt sich nicht stilübergreifend verallgemeinern. Im Jazz etwa war die LP bereits ab Anfang der 50er Jahre das bestimmende Format (s. die Veröffentlichungspolitik jener Tracks, die dann Miles‘ „Birth Of The Cool“ konstituierten). Im Blues dauerte es länger. Erst ab Ende der Fifties stellten die einschlägigen Labels langsam um, von einem Primat der Blues-LP kann erst ab Anfang der Sixties gesprochen werden. Andere Stilrichtungen (Rockabilly, Doowop, Surf, Beat, Soul, Ska, Punk, etc.) kannten ein solches Primat überhaupt nie, dort spielten Singles immer die erste Geige. Im Pop freilich, da hast Du Recht, entwickelte sich das Album zum beherrschenden Format ab ca. 1966, eine Entwicklung, die dann mit Beginn der 70er Jahre abgeschlossen war. Aus zwei Gründen hauptsächlich: erstens stellte die Rockwerdung des Pop neue Anforderungen (Länge der Tracks, konzeptuelles Denken, etc.), zweitens der Mammon (es ließ sich mit LPs sehr viel mehr verdienen).
Entschuldige die Präliminarien, zu Deiner konkreten Frage: nein, bestimmt keine Zufallsprodukte. Das waren ja die „Zusammengeschusterten“. Die großen Alben der Rock’n’Roll-Ära hatten eines gemeinsam: eine sehr eigene, unverwechselbare Geschichte, eine Idee, eine besondere Anstrengung, eine Konzentration, etwas aus dem üblichen Rahmen Fallendes, von der Planung bis zur Fertigung. Nimm‘ „Elvis Is Back!“ (Army, weg vom Fenster?, Comeback-Effort mit Paukenschlag) oder „Me And My Shadows“ (Gruppen-Konzept, egalitär, keine Streicher, keine Hit-Singles, in einer Session gebannt) oder „Dusty In Memphis“ (Pilgerreise, Studio-Sound, Krise mit Tränen, fast daran verzweifelt, aber der Idee, also eines Albums wegen durchgepeitscht, wo es bis dahin „nur“ um Singles ging). Kurzum, die großen Alben der prä-LP-Ära (oder im Soul etc.) waren groß, weil sie prioritär behandelt wurden, vom Künstler, vom Produzenten, vom Label. Aus den unterschiedlichsten Gründen.
Danke Wolfgang, ich freue mich über jede Information, die mir etwas mehr Licht in die meiner Ansicht nach spannendsten Jahrzehnte der Musik bringt. Habe mir gerade „Me And My Shadows“ geordert, mal sehen ob ich das so nachhören kann. Ich bin gespannt.
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How does it feel to be one of the beautiful people?