Re: Hang the DJ Pt.2

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wolfgang-doebeling
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KICKS ON 45 & 33

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So, fange mal von hinten an…

@ Amadeus

MarBeck hat das mit den Kanten ja schon klargestellt. De Burgh war nie Folk, sondern allenfalls Folkpop und selbst unter den Seichten einer der Schwülstigsten. Deine Einstellung dazu: unbenommen. Jeder hat seinen eigenen Anspruch an die Musik, die er hört. Allerdings glaube ich nicht, daß sich das voluntaristisch steuern läßt. Ad „Let It Bleed“: ich liebe „Midnight Rambler“, make no mistake. Nur: die anderen Tracks dieser LP liebe ich noch mehr. Im übrigen ist die Live-Version von „Midnight Rambler“ auf „Get Yer Ya Ya’s Out!“ der Studiofassung vorzuziehen. Ist halt wie gemacht für den Bühnenrabatz, das Stück.

@ Santander

Dieser fortwährende Papst-Quatsch läßt mich als aufrechten Religionsverächter völlig kalt, der Seminar-Vergleich scheitert gleich doppelt. Erstens, weil mir der Lehrwille abgeht und meine Unverblümtheit schwerlich als didaktisches Konzept durchgehen würde. Zweitens, weil die überwiegende Mehrheit der User hier ganz bestimmt nichts lernen möchte. Im Gegenteil: neun von zehn (grob geschätzt) pflegen ihren Umgang mit Musik völlig voraussetzungslos. Und versichern sich permanent gegenseitig, das sei auch gut so. Weil Musik ja schließlich „Geschmackssache“ sei, weil jeder „selbst am besten“ eine persönliche Auswahl treffen könne und man sich da keineswegs „von Kritikern etwas vormachen lassen“ solle. Kunstbetrachtung bei Neandertalers: erlaubt ist was gefällt. Egal, nicht mein Problem.
Deine Links haben mich daran erinnert wie ich seinerzeit, vor knapp 15 Jahren, mit ein paar Freunden von Austin, Tx. aus nach Clovis fuhr, weil wir gerüchteweise gehört hatten, Pettys Studio sei „wiederentdeckt“ worden. Tatsächlich befand sich das gesamte Anwesen im Tiefschlaf, Vi lebte noch und führte uns herum. Im Studiokomplex hausten Katzen, alles war mit einer fingerdicken Staubschicht bedeckt. Und trotzdem kam es uns vor wie der Heilige Gral. So ähnlich müssen sich die Archäologen gefühlt haben, als sie die Grabkammer von Nofretete öffneten. Zwei Tage blieben wir da, Vi erzählte von Norman und seiner Arbeitsweise und seinen Macken (und bewirtete uns trotz ihres Alters und ihrer bereits angegriffenen Gesundheit ausnehmend gastfreundlich). Na ja, ist ’ne lange Geschichte. PS: natürlich muß es „nächtens“ heißen, das hast Du richtig erkannt.

@ hausmeister_p

„Habermus“? Habemus. Oder meinethalben Habermas. Hat sich was!

@ Otis

Ronnie hat über die Jahre ein paar sehr passable Singles gemacht, ihre LPs waren so selten wie enttäuschend. Relativ gelungen, wenngleich ihrem Talent unangemessen, geriet ihr letztes Album, das ich vor einem knappen Jahr (?) im RS rezensierte: feat. Joey Ramone, Keith Richards, etc. Und: ja, das Guralnick-Buch ist sehr lesenswert und ebenfalls als Einstiegslektüre für Soul-Novizen zu empfehlen.

@ Herr Rossi

Die Frage mutet etwas seltsam an, mit Verlaub. Ike & Tina Turner waren integraler und nicht unmaßgeblicher Teil der Soul-Szene. Ike hatte die Geschichte des R & B entscheidend mitgeprägt, beginnend Anfang der 50er Jahre („Rocket 88“ ff), und Tinas expressiver, explosiver Gesangsstil hatte in Soul-Kreisen ebenfalls Vorbildcharakter. Im Pop gab es nichts Vergleichbares. Der Umstand, daß ein Pop-Produzent (der zuvor im Rockabilly- und R & B-Bereich gelernt hatte) einen ausgewiesenen Soul-Act produzierte, zeitigte in diesem Fall zwar einen stupenden Track (der in den USA erbärmlich flopte), verlieh dem Turner’schen Soul auch ganz bestimmt eine zusätzliche Dimension (s. auch „A Love Like Yours“), minimierte aber keineswegs den Soul-Content in ihrem Sound. Im Gegenteil: mehr Soul war nie. Im Gegensatz zu den Crystals, Ronettes, Darlene Love, etc., die nie etwas anderes waren als reinster Pop. Bei Sonny Charles lag es ähnlich, wiewohl sein Gesang natürlich glatter und Pop-kompatibler war als der Tina Turners. Deren Stimme übrigens noch nicht einmal bei ihren Soul-fernen, Rock-beflissenen und überaus schrecklichen Eskapaden in diversen Euro-Studios der 80er und 90er Jahre ganz frei von Soul-Inflektionen war, freilich ungenießbar gemacht durch eklige „Private Dancer“-Sauce und Schlimmeres.

@ Olifant

Ich gehe davon aus, daß Du nicht „Songs“ meinst, sondern Tracks, nicht Kompositionen, sondern Aufnahmen (?). Falls ja, dann sind dies meine Faves…

1. Tilt
2. Clara
3. Cossacks Are
4. The Seventh Seal
5. It’s Raining Today
6. Farmer In The City
7. Big Louise
8. Cue
9. Jackie
10. The Old Man’s Back Again
11. Jesse
12. Montague Terrace (In Blue)

@ Mikko

Da Du durch Deine Lektüre Fakten-firm bist, brauche ich ja wohl bei der Evaluation nicht unbedingt auf die Besetzungswechsel oder gar die Beziehungskrisen eingehen, wiewohl es nicht zuletzt diese waren, die mal für Geniestreiche, dann wieder für Gräßlichkeiten sorgten. Auch würde ich mir gerne eine Besternung der kompletten Discographie sparen: zuviel davon ist lausig. Stattdessen fokussiere ich lieber auf die hörensweren Platten…
1. Die Kenntnis der „Vorläufer“-LPs (Airplane ohne Grace, Grace mit The Great Society) sind unabdingbar zum Verständnis späterer Großtaten, man braucht sie aber nicht unbedingt (beide * * *, „Takes Off“ etwas schwächer).
2. Gleich die erste Kollaboration der Kantner/Slick-Achse mit Balin zeitigte ihr Meisterwerk, spätere LPs fielen dagegen deutlich ab, besaßen aber durchaus Meriten. Ich höre sie so:

Surrealistic Pillow * * * * 1/2
After Bathing At Baxter’s * * * *
Crown Of Creation * * * 1/2
Bless It’s Pointed Little Head * * *
Volunteers * * * *
Bark * * *
Long John Silver * * * 1/2

3. Die Starship-Periode begann schwach und endete schlimm: richtig übel wurde es mit dem Ausstieg von Slick und Balin, richtig eklig dann allerdings erst, nachdem Slick wieder an Kantner angedockt hatte. Kurzum, die ersten vier JS-LPs höre ich noch bei * * 1/2 bis * * *, „Freedom At Point Zero“ (o. Grace) sowie „Modern Times“ und „Winds Of Change“ (mit der Sirene) bei allenfalls * *, danach ging’s vollends in den Keller mit „Nuclear Furniture“ und vor allem „Knee Deep In The Hoopla“ (als Starship): * ! „We Built This City“ hören zu müssen ist eine Qual. Spätere Starship-Platten sind marginal besser (* 1/2), „Deep Space/Virgin Sky“ wieder bei * . Bodenlos.
Weiter oben hat jemand geschrieben, auch der Absturz des Rod Stewart sei vergleichbar tragisch. Nein! Denn einmal war keine Stewart-LP je so großartig wie „Pillow“ und zum zweiten war später nichts von ihm so grauenhaft wie „City“. Nicht einmal „Do Ya Think I’m Sexy“. No way. Airplane/Starship hatten die größere Fallhöhe und den steileren Fallwinkel. Rod fiel weniger als er rutschte.
4. Side projects: es gab zahlreiche Solo-Aktivitäten, Duo- und Trio-Platten von Airplane-Musikern. Die besten:
KANTNER, SLICK & FREIBERG – Baron Von Tolbooth & The Chrome Nun * * * *
PAUL KANTNER – Blows Against The Empire * * * 1/2
GRACE SLICK – Manhole * * * 1/2
Alle anderen halte ich für vernachlässigenswert, insbesondere alle nach 1985.
5. HOT TUNA (sollten ja ursprünglich „Hot Shit“ heißen): Casady und Kaukonen schien es an Personal mit Bühnenpräsenz zu mangeln. Dennoch waren sie live anfangs wirklich gut. Als dann der Mann mit unzweifelhafter Präsenz und Fiddle hinzukam – die Rede ist von Papa John Creach – wurde es lebendiger, aber sicher musikalisch für mich nicht besser. Ich höre deshalb die 1.LP („Hot Tuna“) nach wie vor am liebsten (* * * 1/2), die ersten mit Creach bei * * 1/2 bis * * *, die Spätsiebziger Rock-Pampe bei allenfalls * * . Auch kein Ruhmesblatt, all things considered.
Ich hoffe, das reicht erstmal.

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