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Der Wachs-Papst mit kleinem Gefolge soll mal hier nicht so rumgreinen, sonst ändere ich seine Texte alle mit einem „Digital ist besser“-Filter und dann war es das mit der Kredibilität. Hahaha!
Ansonsten, aus dem Archiv 2.0, dass wir still und lieblich hinter den Kulissen aufbauen:
Introducing Hazeldine: Anmut und Glut. Yep, diese Songs glühen. In dunkler Nacht. Während die brütende Hitze im benachbarten Arizona nur stoische oder rebellische Musik zuzulassen scheint, lüsternen Lärm oder ergebenes Lethargo, meidet man in der Wüste von New Mexico den sengenden Feuerball und verlegt das Leben in die Zeit nach dem Sonnenuntergang. Auch und gerade das Innenleben. Das ist bei Hazeldine bald romantisch verschlossen, ach so feminin und wissend, bald verzehrend und stillverzweifelt. „Hold me close, kiss me low and fuck me like Batman“: Nach Alpdruck klingt das nicht, eher nach Notstand. Ein Hilferuf also? Keine Antwort. Die blondherbe Shawn Barton und die rätselhaft-reizende Tonya Lamm, beide rein äußerlich nicht ganz freizusprechen von Ficht-mich-nicht-an-Grrrlsm-Attitüden (Löcher in den Wollstrumpfhosen!), verziehen beim Singen solcher Zeilen keine Miene, geben keine Anhaltspunkte außer den der wilden Assoziation. „This town forgets to draw its blinds“, verraten sie ohne jedes Klage-Timbre in der Stimme. Das Leben ist halt so in Albuquerque, in einem Nest ohne Anonymität und auch ohne Geheimnisse. „Bees Don’t Fly At Night“ wäre ingeniöser gewesen als Titel für ein Album, dessen Melodien die Aura des Mondes haben, dessen Energien ruhen und dessen Feuer nie lodert. Keine gefühlige Nabelschau, nichts, was Beistand bräuchte. Nur diese rauhen und ungekünstelten Harmonies, welk und süß, und dazu setzen Banjo, Mandoline und Slide sparsame, spröde Akzente. Der Mangel an musikalischer Ambition findet eine kongeniale Entsprechung in schlichten, selbstgenügsamen Arrangements und in der Abwesenheit tonaler Wallungen jeder Art. Selbst die Rhythm Section ist keine. Die dritte Sirene im Bunde, Anne Tkach am Baß, sowie Jeffrey Richards, der einzige Mann (dürften wir ihn beneiden oder müssen wir ihn bedauern?), natürlich am Schlagzeug, sind nur selten treibendes Moment, verankern und vertäuen nur und unterstreichen so die Statik und den Geiz der Melodie-Instrumente. Weniger ist mehr. Das erinnert an einen anderen Wüstenbewohner, einen anderen moonshine man. Norman Petty, der ebenso genialische wie verschrobene Produzent, pflegte die frischen Früchte seiner State-of-the-art-Studio-Arbeit direkt vor Ort auf weiches Vinyl zu ziselieren und das Acetate nächstens über den hauseigenen (illegal betriebenen) AM-Sender in die Gegend um Clovins, New Mexiko, auszustrahlen. Alsdann schaltete er die zahllosen Laternen ein, die sein Anwesen umgraben und alles in ein unwirkliches, fahles Pink tauchten, kletterte in seinen Cadillac und fuhr stundenlang allein durch die rosa Wüste, im Autoradio ununterbrochen den brandheißen, eben fertiggestellten Track von Buddy Knox oder Buddy Holly. Und erst, wenn die Aufnahmen diese Prüfung unter den Dada-Desert-Bedingungen bestanden hatten, war er zufrieden und gab sie zur Veröffentlichung frei. Magier oder Spinner? Eine unzweideutige Replik geben die Platten, die Pettys seal of approval erhielten: mono und mustergültig, definitive Sound-Statements ohne Verfallsdatum. Das war vor 40 Jahren. Die Parallelen zu Hazeldine enden spätestens bei der Güte der Sound-Reproduktion. Die wurde durch so manchen Technologieschub im Laufe der Jahrzehnte zwar verbessert, alles wurde sauberer und transparenter, verlor aber nicht selten Kompaktheit, Wärme, Charakter. Ton ist nicht gleich Ton, und dem kühlen, klaren Klang von „How Bees Fly“ mangelt es eklatant an Tiefe. Keine Vibrationen, würde Neil Young urteilen. Norman Pettys altes Studio steht noch immer in Clovis, und seine kalten Röhren warten auf Strom und Hazeldine. Dann klappt es ja vielleicht auch mit Batman.
Wertung: Vier erregt schwingende Sterne.
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