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Sonic JuiceZu 3: Sicherlich ist die LP ja auch deshalb so faszinierend, weil man sowas halt zuvor noch nicht gehört hat. Beim Blick auf das Cover assoziiert man gleichwohl tatsächlich erstmal schnell „Folk“, manche waren ja dann auch durch diese vermeintliche Mogelpackung enttäuscht, dass es dann doch nicht wie Lorenna McKennit klingt (ein Glück).
Die Musik ist also sicherlich kein Folk im klassischen Sinne, man wird sie wohl halbwegs treffsicher nur allgemein unter „singer/songwriter“ einordnen können. Allerdings wird sie ja nun auch nicht völlig willkürlich bzw. unabsichtlich in diese „neo folk- new weird america“ gestellt, irgendwie muss man sie ja auch vermarkten. Man sollte das m.E. auch nicht pauschal verwerfen, zumal wenn man selbst über keine anderen Begriffe verfügt.
Auf dem Rolling Stones-Sampler wurde sie ja auch neben die anderen „komischen Klampfer“ wie Will Oldham gepackt, und das ist, jedenfalls was das mögliche Publikum angeht, wohl auch nicht so ganz falsch. Mit Klassik/E-Musik, auf die sie sich ja selbst bezieht, hat das doch auch nicht so wahnsinnig viel zu tun. Im Pop-Segment des Plattenladens steht sie also sicherlich richtig.
Gerade die Stimme lässt einen halt auch schell an andere mehr oder weniger stimm- und verhaltensauffällige Damen des Genres denken, wenn auch die Arrangements komplexer sind. Inwiefern die Lyrics schließlich an klassische Folk-Traditionen anknüpfen, vermag ich schlecht zu sagen. Bei „Monkey And Bear“ etwa scheint mir das aber auch nicht fernliegend. Also dann vielleicht „new weird progressive americana“?
Na ja, wenn ich so was lese:
SantanderSo schlimm ist es ja nun auch wieder nicht, wenn ein paar neue Zupfgeigenhansel kommen (meinetwegen auch ein amerikanisches Zupfgeigengretel wie J. Newsom)
…dann denke ich, dass das Etikett „Folk“ wohl irreführend ist. Und „New Weird Folk“ macht es auch nicht besser: „Oh, ich kenne Devendra Banhart, dann kann ich mir ja vorstellen, was Joanna Newsom wohl so macht“. Nein, es ist wieder was anderes.
„New Weird Americana“ ist zumindest mal richtiger als „Neo-Tudor“. Aber ich habe eigentlich kein Bedürfnis, hier ein Etikett zu finden – wenn man mich fragt, komme ich mit „lange Songerzählungen mit Harfe, auffälliger Stimme und Orchester“ ganz gut aus. Das ist mehr was für Journalisten: Über „Szenen“ und „Trends“ ist gut berichten. Das ist ja auch nichts schlechtes: Es schafft Interesse und Aufmerksamkeit. Aber mein Geschäft ist das halt nicht.
Das De:Bug Magazin hat gerade ein „Folk-Special“; das ist ganz interessant, aber die Willkür der Zusammenstellung springt ins Auge (Joanna Newsom, Tunng, Sonar Kollektiv, James Yorkston, Sebastien Tellier…). Und im einleitenden Text wird Joanna Newsom so zitiert: „Es gibt keine richtige Szene“. Und weiter: „Wenn man mir einleuchtend erklären würde, warum meine Musik Folk ist, hätte ich nichts dagegen, sie so zu bezeichnen. Das hat aber noch niemand geschafft“ (auf S. 34, #109).
Okay, das mögliche Publikum und der Gesang sind schon mal zwei Punkte. Aber für mich ist’s dann Folk, wenn sich die Musik auf eine Folk-Tradition bezieht, auf eine bestimmte Geschichte, ob das jetzt die von Woody Guthrie und Pete Seeger ist oder die von Anne Briggs und Bert Jansch oder eine andere (Yorkston meint übrigens: „Folk sind für mich die Traditionals“). Newsom hat, glaube ich, einen anderen Hintergrund. (Im De:Bug-Interview nennt sie selbst Alasdair Roberts als Beispiel für jemanden, der heute tatsächlich Folk spielt – da passt das Etikett).
„Monkey & Bear“ hat etwas fabel-haftes, aber das ist auch nicht zwingend Folk.
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To Hell with Poverty