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Den von otis verlinkten Bruckmaier-Musikblog finde ich in der Art, wie er das Album mal eben im Vorbeigehen auf zwei Zeilen anpißt schon ärgerlich. Meine Güte, der Mann ist sich nicht zu blöd in diesen zwei Zeilen dreimal das Wort „Scheiß“ zu verwenden. Ansonsten waren „prätenziös!“-Vorwürfe natürlich vorhersehbar (da kommt so eine Goldkante im Booklet als Aufhänger gerade recht), genau wie die unvermeidliche Meta-Diskussion über Hypes, und welche Zielgruppe das Album warum liebt oder haßt.
Ich finde „Ys“ größtenteils faszinierend. Joannas Stimme ist natürlich sehr eigen, wobei ich den irgendwo gelesenen Einwand sie wäre affektiert (d.h. würde ihre Stimme absichtlich verstellen) absurd finde. Sie klingt auf jeden Fall noch differenzierter, facettenreicher als auf „The Milk Eyed Mender“. Es gibt Stellen die möchte ich einfach immer wieder von Neuem Hören, halte dabei fast den Atem an um ja keine Nuance zu verpassen. Ihr Gesang ist manchmal so weich und sanft, daß ich unwillkürlich eine maunzende Katze assoziiere. An ihre Kiekser hingegen muß ich mich noch gewöhnen.
Die Streicherinszenierung ist wie schon weiter oben angesprochen famos. Sparsam eingesetzt (das hat hier mit einem üppigen Symphonieklang überhaupt nichts zu tun, nicht daß man eine falsche Vorstellung erhält) begleiten die Streicher Joannas Stimme kongenial (hier paßt das Wort wirklich mal), sehen ihn oft genug voraus, entfernen sich von ihm, kommen an genau den richtigen Stellen wieder mit ihm zusammen… sehr spannend.
Ganz ohne Längen ist „Ys“ allerdings auch nicht. Mein Eindruck ist z.B., daß das fast 17-minütige „Only Skin“ gerne um einiges kürzer hätte ausfallen dürfen. Und auch andere Stellen hätten von einer Straffung profitiert. Aber vielleicht braucht es einfach auch noch ein paar Hördurchgänge. Leichtfüßig den Hörer einnehmend (wie ich irgendwo schon gelesen habe) ist es jedenfalls nicht, sondern eine Musik die viel Aufmerksamkeit und Zuwendung erfordert. Es gibt jedenfalls viele interessante Details zu entdecken.
Noch etwas zum Äußeren: Eine Goldkante habe ich in der Vinyl-Version nicht gefunden (vielleicht wollte man den CD-Käufern einfach auch mal was Gutes tun?) Jedenfalls ist die Qualität der Vinylpressung überaus erfreulich, abgesehen von der Tatsache daß die erste Seite bei mir mit einem milchigen Schleier überzogen ist, der sich aber zum Glück auf den Klang überhaupt nicht auswirkt. Dieser ist fantastisch gut. Die Qualität des Gatefold-Covers ist ebenfalls vorzüglich. Die Texte sind mit zahlreichen Illustrationen versehen als Heft in das Cover eingebunden, so daß das ganze wie ein Märchenbuch daherkommt.
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