Re: M.Ward – Post-War

#5248477  | PERMALINK

gastrisches_greinen

Registriert seit: 19.09.2005

Beiträge: 2,471

Go1“Neptune’s Net“ wäre als kleines 60er-Jahre-Instrumental im Konzept von „Transistor Radio“ vielleicht besser aufgehoben gewesen. Und die Art, wie „Today’s Undertaking“ seinen Höhepunkt aufbaut, gefällt mir leider überhaupt nicht (ich finde es fast manipulativ). Ich sehe die Highlights des Albums tatsächlich in der ersten Hälfte konzentriert.

Ich will nicht wiedersprechen, was die Highlights anbelangt. Die sind auch für mich auf der ersten Hälfte. „To go home“, „Right in the head“ und „Chinese Translations“ halte ich für die drei großen Würfe. Der zweite Teil ist dann auch für mich schwächer, nur halt nicht deutlich, es ist kein so fürchterlich tiefes Qualitätsgefälle.

Das Finale von „Today’s Undertaking“ hat für mich fast etwas cineastisches und bringt auch so etwas wie Ironie in den Song, indem es das Konzept des Troubadours, der von einer höheren Macht, der Liebe, beseelt an seine Liebste singt, überpointiert (wie es der Text ja eigentlich auch schon handhabt). Manipulativ trifft es ganz gut, denn das paßt ja zum Konzept des Troubadours, zu singen, um seine Liebste zu beeindrucken und natürlich zu überreden. Insofern ist das Auflösen des Songs im bombastisch Überhöhten auch ein augenzwinkernder Kommentar zum Text, zumindest empfinde ich ihn so. Aber da ist man dann freilich auf dem unscharfen Terrain der Interpretation, aber da es typisch für Wards Verfahrensweise wäre, kommt mir dieser Schluß plausibel vor.

Es ist ja auch nicht das einzige Beispiel. „Chinese Translation“ spielt ja sehr geschickt mit dem Konzept des fernöstlichen Weisen. Die Antwort des Alten auf die Frage des jungen Liebeskummergeplagten spiegelt ironischerweise genau dessen Geschichte in der eigenen. Und als er dann an die Stelle kommt, an der der Weise seiner Geschichte eben wiederum mit dem Song antwortet und die Repetitionskette, durch die die Leben und Zeiten miteinander verbunden werden, wieder von vorn beginnt, geht der Song über in das kleine Solo, wird sprachlos. Die Antwort des Weisen enthält keine Parabel, die eine eindeutigen Weg aufzeigte, sondern das Konzept des Weisen wird in das Alltägliche überführt. Weise wird man dadurch, daß man die Unpäßlichkeiten und Schwierigkeiten des Lebens durchlebt. Das Durchleben ist die Lösung. Eine höhere Antwort gibt es nicht, die die existentialistischen Fragen auflöste. Diese Ironisierung überhöhter Konzepte macht den Charme des Songs aus.

Wards Alben enthalten immer auch Querverweise auf die vorigen Alben. Der Ausklang mit „Rag“ ist ja bei weitem nichts, was man von Ward nicht erwarten würde. Vielmehr ist es das Relativieren und Zurückbiegen des „this song comes from high above“, der „mighty voice“, die den Sänger vermeintlich in „Undertaking“ antreibt. Sie löst das Überhöhte auf im Zurückgenommenen, Intimen des Gitarren-Folk-Stücks, das keine Worte mehr kennt. Und es verbindet letztlich dieses mit den anderen Ward-Alben, die ja auch alle akkustisch-reduziert und wie in einer anderen musikalischen Epoche verloren enden.

Sonic hat oben mal vom Patchwork-artigen gesprochen. Das bezieht sich sowohl darauf, daß Ward Pop- und Rock-Geschichte zitiert, sich z.B. auf die Instrumentalbands der Sechziger bezieht oder das „Wohltemperierte Clavier“ von Bach auf die Folk-Gitarre überführt. Und es bezieht sich auf den Umgang mit dem eigenen Werk („Neptune’s Net“ besitzt in „Regeneration No. 1“ ja tatsächlich einen musikalischen Bruder auf „Transistor Radio“). Es bezieht sich ebenfalls auf textliche Konzepte und Muster, wie dem des erwähnten Troubadours. Pop-Geschichte ist ein großer Text- und Klangzitateraum. Man könnte demnach von Ward als einem postmodernen Songschreiber reden. Aber es ist kein totes Kunstkonzept, das sich lediglich im Zitieren erschöpft. Sondern das ironische Brechen und Neubeleuchten belebt es und macht es interessant.

Was „Magic Trick“ angeht, hast du auch recht. Es ist ein musikalischer Joke und das rechtfertigt die Kürze. Nur weil das Album am Ende eigentlich nahezu nur noch aus ziemlich kurzen Stücken besteht, bekomme ich etwas den Eindruck des musikalischen Zurückhaltens. Das macht mich sehr gespannt darauf, wie Ward die Stücke dann Live spielen wird, ob sie da ebenfalls so kurzangebunden wirken.