Re: Nikos Favoriten

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nikodemus

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SIMON & GARFUNKEL – Sounds Of Silence
Columbia 1966

Mitte der 60er Jahre, Paul Simon, ein junger und noch recht unbekannter Singer/Songwriter kehrt nach längerem Aufenthalt in England zurück nach New York, um mit seinem Partner Art Garfunkel den zweiten musikalischen Anlauf zu nehmen, nach dem ihr Debüt, „Wednesday Morning 3 A.M.“ kommerziell wenig Aufsehen erregte. Tom Wilson derweil, Produzent der des Debüts sowie der frühen Dylan Alben bis einschließlich „Like A Rolling Stone“ erkannte die Zeichen der Zeit und elektrifizierte die frühe Folknummer „The Sound Of Silence“ des Erstlings in eine byrdsche Folk-rock Hymne. „The Sound Of Silence“, ein molltrunkenes Lamento über die Unfähigkeit zur Kommunikation, dunkel und trist, getragen von traumhaften harmony vocals unserer beiden Helden, stürmt Anfang 1966 die Charts bis auf #1 und führt zu einer windeseiligen Aufnahme eines neuen, seriösen Albums, eingespielt in lediglich drei Wochen. „Sounds of Silence“ verabschiedete den kargen, allein auf Simons Akustikgitarre basierenden Sound des Debüts und war prall gefüllt mit neuen Songs, die Simon in seiner Zeit in England geschrieben hatte (und auf einem obskuren Solo-Album teilweise bereits veröffentlicht hatte).

Das zentrale Thema von „The Sound of Silence“, welches Simon als „a societal view of the lack of communication“ bezeichnete, strotze aus allen Poren des gleichnamiges Albums, dessen Titel aufgrund der teilweise überladenen Instrumentierung nicht unironisch rüberkommt. So fröhlich die akustischen Fassaden auch klangen, so traurig, deprimierend oder nachdenklich waren doch Simons poetische Verse: „the leaves that are green turn to brown, they wither with the wind and they crumble in your hand”, dichtete Simon während im Hintergrund das Cembalo trillerte. Die Geräusche der Stille und der Mangel an zwischenmenschlicher Kommunikation ziehen sich durch das ganze Album, von den Erzähler im sehnsüchtigen „Kathy’s Song“, der im Plätschern des Regens seiner Liebsten gedenkt, den Dieb in „Somewhere They Can’t Find Me“, der das Mädchen was er liebt verlassen muss bevor sie ihn schnappen, über den Selbstmörder in „A Most Peculiar Man“, dem selbst nach seinem Freitod niemand Beachtung schenkt, bis zu Richard Cory, der hoch angesehene Industrielle, der sich eines Tages einfach eine Kugel durch den Kopf jagt. Im wunderbar lyrischen „April Come She Will“ porträtiert Simon eine junge Liebe vom Aufblühen bis hin in den grauen Herbst. Selbst der schönste Singalong, wie in „We’ve Got A Groovy Thing Going“ ist nichts als die Hymne eines Verlassenen, der nicht verstehen kann, warum Sie gegangen ist. Den misanthropischen Mount Everest besteigt Simon dann im neurotischen „I Am The Rock“, welches Simon in späteren Jahren selbst etwas unangenehm war. Selten war ein dermaßen bissiger Text mit einer schöneren Wohlfühl-Melodie verbunden.

Später wurde die Hastigkeit kritisiert, in der das Album entstand und die uncharakteristische Umsetzung mit den E-Gitarren, dem Bass und den gelegentlichen Bläsern. Dabei hatten die Songs von S&G bis dahin nie mehr Swing und nie gingen die Balladen mehr ans Herz als bei „April“ oder „Kathy’s Song“. Und waren auch die Songs zusammengewürfelt, so hing doch ein Konzept über ihnen, welches die Zeit ihrer Entstehung perfekt widerspiegelte. Schöner als auf „Sounds of Silence“ konnte der byrdsche Sound nicht adaptiert werden, schönere Geschichten als Simon konnten auch die Kinks nicht erzählen, dazu höre ich auch Strukturen raus, die später Love so großartig machten (z.B. in „Somewhere They Can’t Find Me“) und doch war das immer der vintage sound von Simon & Garfunkel.

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and now we rise and we are everywhere