Re: Nikos Favoriten

#5223353  | PERMALINK

nikodemus

Registriert seit: 07.03.2004

Beiträge: 21,307



The Jesus And Mary Chain – „Darklands“

1987- Blanco y Negro/Warner Bros.

Sie bekehrten mich dazu, wieder an die 80er zu glauben. Ein Juwel dieser ungeliebten, kalten, synthetischen Jahre. Und ein Beispiel dafür, was die 80er neben all den bekannten Grausamkeiten eben auch waren.

Die ganzen Velvet Underground Referenzen haben irgendwann dazu geführt, dass JAMC auch auf meiner Einkaufsliste stand und mit seit dem ersten Ton von „Psychocandy“, diesem süßen, anarchischen Krach, hab ich es nicht bereut, den 80ern noch eine Chance zu geben. Als Musik-Nerd ist man ja immer auf der Suche nach etwas neuem, ungehörten. Nach einen dieser Schlüsselmomente, die den eigenen Musikkosmos wieder verschieben oder zurechtrücken. Bei mir hat das angefangen mit der ungeheuren Stimme von Neil Young, der Poesie von Dylan, der Melancholie von Cohen und Drake und eben auch dem Sound der Velvet Underground insbesondere Cales beißender Viola. Beim ersten Hören von „Just like Honey“, „The Living End“ und „Taste The Floor“ war da wieder diese Moment, Verwunderung, Erschrecken, Begeisterung. Ich war gefangen im Noisenetz der Gebrüder Reid, diesen versteckten Melodien, die erst nach dem x-ten Mal herauszuhören waren, der Wut, Angst und Rebellion der Texte und dem Feedbackbad, das sich einfach weigerte, so zu klingen, wie das meine Ohren gewohnt waren.

„Darklands“ führte endgültig dazu mich zu verlieben. War auch dieser niemals so gehörte Sound verstummt, die Melodien waren größer wie nie zuvor und die ganze Wut schien der Trauer und Melancholie gewichen zu sein. Der hoffnungslose Titelsong drückte schon gleich auf’s Gemüt, William schien auf seiner Beerdigung zu tanzen und statt einem gepflegten Mittelfinger hören wir nur wunderschöne Do-Do-Do Chöre. Auch wenn JAMC wie die Raben klauten, nichts klang eklektisch auf Darklands. Trotz der Adaption der Uuh-Uuh-Uuhs von „Sympathy For The Devil“, klang „Nine Million Rainy Days“ doch klar nach JAMC und nicht nach den Stones. „Cherry Came Too“ war trotz feinster Beach Boys Anleihen doch klar JAMC. Selbst die dröge Drum Machine konnte (nach dem Abgang von Drummer Bobby Gillespie) diesen minimalistischen Popsymphonien nichts anhaben. „April Skies“ und „Happy When It Rains“ zählen sicherlich zu den schönsten Singles der 80er, naive Melodien gepaart mit hymnischer Verve und heartbreaking lyrics: „sun grows cold, sky gets black / and you broke me up and now you won’t come back / shaking hand, life is dead / and a broken heart and a screaming head / under the april sky”. Dazu ganz am Ende der Seelenstreichler „About You“, ganz im akustischen Gewand und wärmer als der Regen tröstet uns Jim Read… „and you and me / we’ll win you see …“

Ein in sich geschlossener Zirkel dunkler, schwermütiger Balladen, zerbrechlichem Storytelling, trotziger Kraft und sehnsüchtigen Melodien vereint eines der schönsten Alben der 80er Jahre und lässt mich daran glauben, dass es selbst im dunkelsten Kapitel der Popgeschichte das ein oder andere Kleinod zu entdecken gibt.

--

and now we rise and we are everywhere