Re: Nikos Favoriten

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nikodemus

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Donny Hathaway – “Everything Is Everything”
(Atlantic – 1970)

Donny Hathaway zählt für mich zu den großen Vergessenen der Soulmusic. Seine warme, federleichte Stimme, die mühelos etliche Oktaven zu überspringen wusste, sein Pianospiel und seine Entertainer Qualitäten, mit welchen er live das Publikum begeisterte, blieben einmalig. Wer einmal seine ultimative „What’s Going On“ Version gehört hat, (zu finden auf Donny Hathaway: Live) weiß, dass er sich vor keinen Marvin Gayes der Welt zu verstecken brauchte.
Geboren in Chicago (Illinois) und aufgewachsen in St. Louis (Missouri) machte der junge Donny schon in Alter von drei Jahren als „Donny Pitts, The Nation’s Youngest Gospel Singer“ auf sich aufmerksam. Sein Talent brachte ihm ein Universitätsstudium, wo er Roberta Flack und Leroy Hutson kennen lernte.
In den 60ern zeichnete sich Donny als Pianist, Percussionist, Arrangeur und Produzent für CHESS und STAX aus und unterstütze dort u.a. Aretha Frankling, Jerry Butler oder die Staple Singers. Ein Duett mit June Conquest brachte ihm 1969 den Hit ‚I Thank You Baby‘. Sein Förderer Curtis Mayfield holte ihn schließlich zu dessen eigenem CURTOM Label, wo Donny weiter als Produzent agierte und Songs aufnahm. 1970 holte ihn King Curtis zu Atlantic, wo Donny im gleichen Jahr sein Debüt „Everything Is Everything“ rausbrachte.

Eine fantastische Basslinie von Philip Upchurch leitet den ersten Song „Voices Inside“ein, dazu ein Chor .. i hear voices, i see people…say everything is everything… die souligen Bläser setzen ein und verzaubern mit einer genialischen Melodie…eher ein Jam als ein Song zum Auftakt, in dem Donny noch nicht zeigen kann, zu welchen Leistungen diese Stimme im Stande ist. „Je Vous Aime (I Love You)“ zeigt erstmals den großartigen, sehnsüchtigen Sänger Donny Hathaway mit einer Liebesballade an seine Frau Eulaulah, die auch im Background zu hören ist. Das Ray Charles Cover „I Believe To My Soul“ ist klassischer Chicago Soul, eine mit Dank erfüllte Ode an seinen Schöpfer, in welcher Donny ein bemerkenswertes Solo über den dominanten Bläsern spielt. Im klagenden „Misty“ beschreibt Donny eine unglückliche Liebe, die unterschwelligen, geheimnisvollen Bläser verstärken Donnys sehnliche Botschaft und akkumulieren zu einem hoffnungsvollen, mutigen Gedicht.

Look at me – I’m, I’m as helpless as a kitten up a tree
I feel like I’m clinging to a cloud
I can’t understand I get misty holding your hand

„Sugar Lee“ ist ein stimmungsvoller Jam, der einzig und allein dafür gut ist, um das Album noch luftiger und swingender zu machen. “Tryin’ Times“ ist ein klassischer politischer message song über die Bedeutung von Frieden und Gemeinschaft, begleitet von Boogie Piano und groovy Percussions. Im Anschluss gospelt Donny „Thank You Master For My Soul”, dehnt und zieht dabei alle Vokale, bis irgendwann die eruptiven Bläser das Erwachen ankündigen und die Band in ein jazziges Solo stürmt. Das folgende „The Ghetto“ ist eines der absoluten Hathaway Klassiker, der prägnante Bass und die wundervollen Congas und Bongos von Henry Gibson leiten einen minutenlang Jam ein, der von der schönen Seite des Ghettos berichten soll… Ein mutspendendes, stolzes Monument, welches insbesondere in Konzerten zu absoluten Highlights heranreifte, wenn Donny das Publikum (abwechselnd Frauen und Männer) zum Mitsingen animierte (Take A Look: The Ghetto)

Abschließend formiert er Nina Simones stolzes „To Be Young, Gifted And Black“ in eine ernste, wehmütige Hymne für alle jungen, talentierten Farbigen, die nicht die Möglichkeiten haben, ihre Talente auszuleben.
Die CD Version bietet weiterhin das superbe „The Dream“, eine Pianoballade über den perfekten Zeitpunkt einer Liebe, dieser sehnliche Moment jedes Einzelnen, wo die Zeit stehen zu bleiben scheint und dass Leben wie in einem Traum vorüberzieht.

Leider schien der Traum von dieser Liebe für Donny bald zu zerplatzen, Mitte der 70er Jahre plagte ihn Persönlichkeits- und Identitätsprobleme. Nach drei Studio- und zwei Liveplatten sowie weiteren Aufnahmen und Singles mit Roberta Flack wurde Donny am 13. Januar 1979 tot vor einem Hotel in New York aufgefunden. Die genauen Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt, man ging davon aus, dass sich Donny absichtlich aus seinem Zimmer im 3. Stock des Hotels hinunterstürzte. Postum erschien 1980 die Single „Back Together Again“, ein Duett mit Roberta Flack, welches im UK zum Hit wurde (Chart Peak: #3).
Die Welt verlor eine der größten Stimmen der Musikgeschichte, die wie keine andere Hoffnung, Liebe, Schmerz und Sehnsucht zum Ausdruck bringen konnte.

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and now we rise and we are everywhere