Re: Nikos Favoriten

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nikodemus

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Kate & Anna McGarrigle – „Kate & Anna McGarrigle“
(Warner Bros./Hannibal – 1975)

Auf Kate & Anna McGarrigle wurde ich vor ein paar Jahren aufmerksam, als ich mich zunehmend mit der Musik von Kates Sohn Rufus Wainwright beschäftigte.
Kate und Anna sind kanadische Schwestern aus Quebec, die in jungen Jahren in den Genuss von Klavier- und Musikunterricht durch Nonnen gekommen sind. Als Annas Song „Heart Like A Wheel“ von Linda Ronstadt gecovert und ein Hit wurde, wurden sie alsbald von Joe Boyd (Produzent von Pink Floyd, Nick Drake s.o.), der zu dieser Zeit das Debütalbum von Maria Muldaur aufnahm, auf dem Anna die Background Vocals singen sollte, entdeckt. Aus dieser Zusammenarbeit mit Joe Boyd entstand das viel gelobte Debüt „Kate & Anna McGarrigle“, welches ähnliche Jubelarien und Aufmerksamkeit ernten sollte wie in der jüngsten Vergangenheit die Veröffentlichungen von Rufus.

Wie es sich herausstellen sollte, besteht das Debüt aus weit mehr als aus einfachen zur Gitarre vorgetragenen Folksongs, die ich nach ein paar Recherchen erwartet hatte. Unterstützt von geschätzten Studiomusikern wie Tony Levin (Bass), Stephen Gadd (Drums) oder Lowell George (Guitar) beginnt das Album mit Kates „Kiss And Say Goodbye“, eine stimmungsvolle Geschichte über die Rückkehr eines Mannes zu seiner Geliebten, um mit ihr eine Nacht zu verbringen und wieder abzuhauen. Unterstützt durch einen tolle Bläsersektion und verwebten sich hier zum ersten Mal die Stimmen der beiden Schwestern zu einer Art Folksoul.
„My Town“ ist eine Liebeskummerballade die durch das Zusammenspiel von Harmonica und Mandoline brilliert. Im jazzigen „Blues in D“ wird Kate unterstützt durch Joel Tepps sehr spielerische Klarinette.
Das folgende „Heart Like A Wheel“ ist vielleicht der Klassiker im Oeuvre der McGarrigles. Die ruhig Ballade besticht vor allem in Annas zartem Banjospiel und diesen hohen, feingestrickten Harmonien zwischen Kate und Anna.


Some say a heart is just like a wheel, when you bend it, you can’t mend it
And my love for you is like a sinking ship and my heart is on that ship out in midocean

„Talk To Me Of Mendocino“ ist eine Elegie über das Abschiednehmen, ein leises Orchesterarrangement unterstreicht diese entrückten Stimmen und das schlichte Pianospiel von Kate. „Complainte Pour Ste-Catherine“, eine art französischer Reggaechanson mit imposantem Gesang, Geigen und Bläsern heitert die Stimmung des Albums deutlich auf. Der metaphernreiche „Swimming Song“ stammt im Original von Kates Ex-Mann Loudon, ein optimistischer, trotziger Song in dem Kates markantes Bangospiel besonders gut zur Geltung kommt.

This summer I went swimming, this summer I might have drowned
but I held my breath, kicked my feet and I moved my arms around

“Go Leave” ist ein trauriges Abschiedslied von Kate an die Adresse ihres Ex-Mannes Loudon, sparsam umgesetzt nur mit einer Gitarre sinniert Kate über vergangene Zeiten, als man zusammen lachen und reden konnte bis einem die Wörter aus den Ohren gelaufen sind.
Der Abschluss bildet „Travellin’ On For Jesus“, ein (wie sollte es anders sein) Gospel mit reichlicher stimmlicher Unterstützung der Band der das Album mit einer optimistischen Note beendet.
Insgesamt ein sehr abwechslungsreiches Debüt, musikalisch zwar deutlich vom Folk beeinflusst, was aber durch die schiere Anzahl von folkuntypischen Instrumenten deutlich darüber hinausgeht. Ob Hörner, Klarinetten, Streicher oder das markante Akkordeon- bzw. Banjospiel von Kate und Anna, jedes Lied trägt eine eigene Stimmung, wenngleich immer diese einzigartigen hohen Stimmen der beiden Schwestern im Mittelpunkt stehen. Auch wenn oftmals schwermütige Texte besungen werden, schimmern doch in allen Songs Optimismus und eigensinniger Humor durch.

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and now we rise and we are everywhere