Re: The Rolling Stones – Köln 23.07.2006

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mr-goldrush

Registriert seit: 06.07.2006

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Folgenden Text schrieb ich in der Nacht vom 23. auf den 24.07.06 nach dem STONES-Konzert in Köln:

Es ist 3.00 und ich bin vor 10 Minuten aus Köln zurückgekehrt. War leider erst mein 3. Stones-Konzert, aber es war unglaublich. Nicht nur deswegen, weil die Location diesmal für eine wesentlich bessere Akkustik und ein viel näheres Erlebnis sorgte. Auch nicht nur deswegen, weil wieder mal die beste und größte Band der Welt am Werke war. Nein, in erster Linie wegen meinen tiefen und innigen Liebe zur Musik.

Gut, ich muss ja gestehen, dass ich mit den deutschen Fans so ein kleines Problem habe. Irgendwie bestand das Publikum zu 80% aus typischen „Otto-Normal“-Stones-Fans, die einfach nur dabei sind, weil sie halt immer dabei waren, aber gar nicht mehr so an der Musik interessiert sind, sondern eher aus sentimentalen „In-Erinnerungen-schwelgen“ dabei sind. Let’s Spend The Night Together – weißt Du noch, dabei haben wir unseren Sohn gezeugt etc. Das ist zwar nachvollziehbar und auch verständlich, nur ignoriert es leider völlig den Sachverhalt, welch ein großartige Band dort auf der Bühne steht und was dort gerade für wundervolle Musik läuft. Deshalb ist es auch klar, dass die neuen Songs eher nur beilläufig zur Kenntnis genommen werden. Kleine Gags wie von Keith „I’m feelin‘ good from head to toe“ werden nur von einer kleineren Zahl von Fans wahrgenommen. Viele stehen auch einfach nur rum, wippen etwas mit und machen das, was für sie am Wichtigsten an diesem Abend ist: Dabei sein!

Nun, bei mir das bei mir nicht so. Ganz gleich, was die Zeitungen und Kritiker über diese Konzerte schreiben mögen, ich denke: Mick ist in großartiger stimmlicher Verfassung, so gut habe ich ihn noch nie gehört. Charlie und Keith tuscheln wie zwei beste Freundinnen permanent rum, dass hat aber keinerlei Auswirkungen auf ihr Spiel – und wenn das mit dem positiven Nebeneffekt, dass sie blind miteinder harmonieren und wirklich gigantisch gut in die Saiten hauten. Charlie war wieder mal Charlie – und gerade darum so charming und wundervoll.

Am Ende – nach dem furiosen Finale – tobte natürlich das Volk und hatte bekommen, wonach es verlangt hatte. Ich habe aber noch viel mehr bekommen, u. a.

– „Night Time Is The Right Time“, „an old Blues-Song by Ray Charles“, mit einer großartigen gesanglichen Performance von Mick und Lisa (dazu noch eine atemberaubende Show von ihr!)

– „As Tears Go By“ – habe ich zur Einstimmung vorgestern noch bei GOLDRUSH aufgelegt, darum brach es mir fast das Herz, als sich die Keith mit der Gitarre hinsetzte und Mick dann die ersten Zeilen sang….

– Überhaupt unser „Jumpin‘ Jack Flash“ Mick: Ich kann es wirklich nicht fassen, wie gut er körperlich drauf ist. Also mir taten nach höchst intensivem Einsatz (das unterschied mich von vielen anderen Zuschauern) die Beine und Arme schon ziemlich weh und meine Stimme hatte erheblich gelitten. Aber er sprang und hüpfte und lief über die Bühne, als wäre er noch 32 und nicht ich. Außerdem sieht er – und das sage ich eigentlich mal als Hetero – sowas von sexy aus, mein Gott. Er ist zärtlich, er ist ein Großmaul, er ist ein Showman, er ist ein Blueser, er ist unvergleichlich!

– Das besondere Kribbeln kurz vor dem Start – ein Gefühl, dass evtl. nur mit gutem Sex vergleichbar ist.

– Das sie auf GIMME SHELTER, STREET FIGHTING MAN, WILD HORSES oder das bei den Deutschen doch sehr populäre ANGIE verzichteten und trotzdem eine Show hinlegten, wie es sonst keine Band kann!

– Die wahnsinnigen Töne, die Ron und Keith aus ihren Gitarren herauskitzelten

– Wie cool Keith seine Kippe wegwarf, dann seinen Song zum Besten gab, anschließend die Kippe weiterrauchte!

Und Und Und….. – demnächst mehr!

Eine kleine Sache spricht aber evtl. für sich und sagt doch eine ganze Menge über diesen Abend aus:

Gefahren hat uns ein Kumpel von meinem Bruder, den ich die Karte ausgab – dafür war er halt der Fahrer. Er hat musikalisch kaum Ahnung und ist bisher nur zu Techno-Events gegangen. Die Stones kannte er wahrscheinlich nur in der Art, wie Kinder Dinosaurier kennen. Vom Hörensagen oder aus Filmen (Bücher werden ja heutzutage leider total vernachlässigt!). Er ist nunmehr bekehrt und hat ebenfalls versprochen, beim nächsten Mal dabei zu sein. Gut, ich kann nur hoffen, dass sich sein musikalischer Geschmack auch dementsprechend positiv verändern wird, aber alleine seine wirkliche Begeisterung zu spüren und zu sehen, war ein ganz tolles Gefühl!

Eine andere Sache, die etwas nervt, sind diese verdammten Foto-Handys. Ich finde es fürchterlich, wenn fast ausschließlich Hände zum Knipsen oder Filmen hochgehen, anstatt zu klatschen, jubeln oder schreien. Dadurch entsteht doch auch irgendwie eine Distanz, man wird eher zum „Kameramann“ – schrecklich!

Ich fühlte jedoch keine Distanz – ganz im Gegenteil: eine sehr intensive Nähe! Irgendwie fühlte ich das, wofür ich GOLDRUSH mache – es sind im wahrsten Sinne des Wortes die ROOTS, das mystische, das spirituelle, der Gospel, der Blues, fiebriger Soul; der Hauch einer Nacht – das Atmen des Windes, das Amerika, von dem Greil Marcus immer so wunderbar erzählt -> die ganzen wunderbaren romantischen Dinge, die wir an der Musik gut und wichtig finden und für die es sich zu Leben lohnt. OK – auch die Stones merken, dass das nur ein kleiner Teil des Publikums wirklich so mitbekommt. Aber sie machen es trotzdem! Für die Leute, die ein Herz haben, es zu fühlen – und für sich selbst, aus der Freude an dieser einzigartigen Musik dieser tollsten Band der Welt. Und dafür liebe ich sie!

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Und? Was denkt Ihr? Weitere Meinungen & Widerspruch, sowie eigene Erlebnisse sind herzlich wilkommen!

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