Re: Mikkos LP Faves

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mikko
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Caravan – In The Land Of Grey And Pink (LP, 1971)

Wenn ich diese LP heute höre, kann ich gar nicht verstehen, dass sie damals so völlig an mir vorbei gegangen ist. Von der Canterbury Szene hatte ich zwar mal gehört, aber ich kannte nur die Platten von Soft Machine, und die waren mir eher zu anstrengend. Caravan waren aber neben der Soft Machine die führende Band aus Canterbury. „In The Land Of Grey And Pink“ gilt heute als ihr Meisterwerk. Es ist ihre dritte LP und auch in meinen Ohren ihre beste. Auch wenn die LP aus heutiger Sicht als der Durchbruch der Band betrachtet wird, so war sie damals doch nur mäßig erfolgreich und konnte sich nicht in den britischen oder gar anderen Charts platzieren. Die LP entwickelte sich aber wohl über die Jahre zum Aushängeschild der Band, und sie war immer in print, also lieferbar. Das von Tolkiens Hobbit Geschichten inspirierte Cover fiel mir schon lange bevor ich die Musik kennen lernte auf. Und als ich dann endlich mal die LP erstand und auflegte, da merkte ich, dass ich mindestens zwei der Tracks längst kannte. Sowohl das „Golf Girl“ als auch den Titeltrack der LP hatte ich schon früher gehört. Ob im Radio oder bei Freunden, ich weiß es nicht mehr. Die erste LP Seite ist eigentlich recht poppig, die Melodien absolut eingängig und die Tracks relativ kurz. Nur „Winter Wine“ ist mit etwas über sieben Minuten und seinen schon leicht verschachtelten Mellotron Passagen ein zeittypischer Prog Titel. „Golf Girl“ dagegen ist zwar in gewisser Weise auch zeittypisch, aber doch locker und beschwingt und mit seinem seltsamen Aufbau fast so eine Art Kinderlied. Der Song hätte wohl auch von Syd Barrett sein können. Ähnlich „In The Land Of Grey And Pink“, das mit seinen fünf Minuten vielleicht für eine Radiosingle ein Quäntchen zu lang ist. Aber es hätte gut und gerne ein Radiohit sein können anno 1971. Da war so etwas durchaus möglich. „Love To Love You“ ist der dritte von vier Tracks auf der ersten LP Seite. Die Nummer wird von Progfans meist als zu poppig oder zu seicht abgelehnt. Dabei ist es ein wunderbarer Popsong, der vor Lust und guter Laune nur so strahlt! Überhaupt ist Caravan eher eine fröhliche und manchmal auch ironische Band, will mir scheinen. Selbst dem von besagten Progfans sehr geschätzten 23-minütigen Kernstück der LP „Nine Feet Underground“, das die gesamte zweite LP Seite einnimmt, fehlt der heilige Ernst und erst recht der Schwulst, der viele LPs beliebter Prog Bands auszeichnet. Vor allem David Sinclairs einfallsreiches Keyboardspiel sowie hier und da passende Einsprengsel von Saxophon und Flöte machen dieses locker dahinfließende Stück zu einem progressiven Meisterwerk. Es gibt zum 40. Jahrestag der Platte ein limitiertes Vinyl Doppelalbum mit Bonustracks und einem neuen Mix von „Nine Feet Underground“, den Steven Wilson (Porcupine Tree) hergestellt hat. Ob man das braucht, muss man selbst entscheiden. Mir reicht im Grunde die Original LP. ****1/2

XTC – Skylarking (DoLP, 1986 / 2010)

XTC gehören eigentlich seit ihrer ersten Single „Science Friction“ im Jahr 1977 zu meinen favorisierten britischen Bands der New Wave Ära und dann vor allem der 1980er Jahre. Die LP „Skylarking“ aus dem Jahr 1986 ist meiner Aufmerksamkeit damals dennoch entgangen. Lediglich die erste Single des Albums „Grass“ hatte es mir angetan mit ihrer sehr relaxten hippiesken Atmosphäre. Knüpfte die Band damit doch direkt an die ein Jahr zuvor unter dem Pseudonym The Dukes Of Stratosphear erschienene LP „25 O’Clock“ an. Die LP „Skylarking“ ist zwar vordergründig weit weniger psychedelisch und Sixties orientiert, aber Inspirationen und Einflüsse solcher Sixties Ikonen wie The Kinks, Beach Boys und The Beatles sind unverkennbar. „Skylarking“ ist gewissermaßen ein Konzeptalbum unter dem Motto „A Day In The Life“. Aufgenommen und produziert wurde die Platte von Todd Rundgren in seinem Studio in Woodstock nördlich von New York. Und Rundgren hat einen wohl nicht unwesentlichen Anteil an Sound und Arrangementideen. Er ist ja als genialer Studio Zauberer bekannt. Entstanden ist so eine zwar von Ansatz und den Songs her sehr britische Platte, aber die überbordenden Sunshine Pop Klänge, die Streichersätze, das ist wiederum sehr amerikanisch. Beach Boys eben. Wie zu Zeiten des mythischen „Smile“. Nachdem ich nun das ganze Album, so wie es ursprünglich von Andy Partridge intendiert war, gehört habe, muss ich sagen, es ist großartig. „Grass“ ist nicht mal der beste Track. Eine wundervoll entspannte Atmosphäre zeichnet die gesamte Platte aus. Doch gibt es auch immer wieder Momente der Überraschung, der Exaltiertheit. „Dear God“ ist einer der Höhepunkte der DoLP. Auf der Original LP fehlte der Titel, weil die Plattenfirma Proteste befürchtete. Handelt es sich doch um einen ziemlich kritischen Song, der Gott letztlich stark anzweifelt. Und ausgerechnet dieser Track wurde dann in den USA zur erfolgreichsten Single aus dem Album, weil die Radio DJs ihn von der B-Seite der Single „Grass“ pickten. Die im Jahr 2010 erschienene Doppel-LP ist die ultimative Version des Albums. Sie enthält nicht nur alle Tracks wie ursprünglich vorgesehen, sie hat auch zum ersten Mal die korrekte Sound Polarität der Aufnahmen, die beim ersten Mix im Jahr 1986 versehentlich vertauscht wurde. Und das Album Cover ist nun auch das ursprünglich von der Band intendierte, das Virgin damals ablehnte. ****

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