Antwort auf: Sun Ra

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vorgarten

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1957-59

bis zur session im märz 1959, wo endlich das zweite saturn-album des arkestras entstand (das meisterwerk JAZZ IN SILHOUETTE, veröffentlicht mai 1959), gab es keine weiteren studiotermine für die band. obwohl ihr repertoire zwischenzeitlich auf 300 kompositionen anwuchs, fehlte schlicht das geld, um einen professionellen aufnahmeort zu buchen. im budland durften sie nur montags morgens spielen, anzeigen musste alton abraham selbst schalten. mit einem teil des arkestras spielte ra an den off-days (an denen die hausband ihre gewerkschaftlich verabredete pause machen musste) im de-lisa-club, den es allerdings auch nur noch bis januar 1958 gab, als der zweite der de-lisa-brüder verstarb. das glück, an der legendären wirkungsstätte des idols fletcher henderson mit der eigenen band aufzutreten, währte also nur kurz.

die aufnahmen, die dennoch in dieser zeit entstanden, wurden in den proben aufgenommen – sun ra handelte sich bei auftritten immer extrazeit aus, um seine band vor ort zu dokumentieren. zum teil erschienen sie auf saturn-singles, in schlechten pressungen (die wiederveröffentlichungen auf cd sind gegenüber den originalpressungen immer vorzuziehen). die dort zu hörenden konstellationen waren allerdings nicht ohne – schöne gesangsnummern von hattie randolph (der schwester des arkestra-trompeters lucious), tolle einzelaufnahmen wie „great balls of fire“, „planet earth“ und „hours after“ – und die erste single mit dem unikat yochannan, einem selbsternannten „sohn der sonne“, dessen wild-man-performances zu später stunde schon mal die damen im publikum aus den clubs verscheuchte. von den musikern verachtet, sun ra in seinem kosmischen sendungsbewusstein aber sympathisch, grunzt und raunt der mysteriöse sänger dadaistische und – wenn verständlich – anzügliche blues-lyrics und tritt in orangenen und gelben gewändern auf. die single mit dem trademark-song „the muck muck“ und der b-seite „hot skillet mama“ sind nichtsdestotrotz sehr hörenswert. die eigenen versuche des arkestras, in fantasievollen kostümen aufzutreten, wurden zu dieser zeit von mitgliedern der nation of islam verhindert, die meinten, nur sie dürften feze und ähnliches tragen.

aufgrund der anhaltenden erfolglosigkeit (SUPER-SONIC JAZZ und JAZZ BY SUN RA bekamen nur zwei lauwarme kritiken) wurde es für sun ra schwierig, das arkestra dauerhaft zusammenzuhalten. charles davis war mit dinah washington unterwegs, pat patrick und john gilmore nahmen immer wieder andere jobs wahr. dafür gab es zwei neuzugänge: james spaulding kam im juli 1957 dazu, marshall allen bewarb sich, nachdem er JAZZ BY SUN RA gehört hatte, und wich zunächst auf flöte aus, um spaulding nicht den platz streitig zu machen. von der chicagoer institution, der du-sable-hochschule, kam schließlich noch bassist ronnie boykins dazu.

1958 griff sun ra seine tätigkeit als vocal coach für doowop-gruppen wieder auf, wobei die „cosmic rays“ sein ehrgeizigstes projekt waren. die rhythm section begleitet die sänger nur, es gibt keine soli. sie entstehenden singles klingen toll, aber für die klangsprache des arkestras eher fremd:


LADY WITH THE GOLDEN STOCKINGS / THE NUBIANS OF PLUTONIA

aus einigen probe-aufnahmen in den jahren 1958 und 59 wurde später eine saturn-lp zusammengestellt, die zunächst (1966) „lady with the golden stockings hieß“, dann ein neues cover bekam und 1969 in THE NUBIANS OF PLUTONIA umbenannt wurde. als teil des impulse-deals, bei dem abraham zu beginn der 70er 10 saturn-alben an das new-thing-label verkaufte (und damit sun ra endlich international bekannt machte) wurde NUBIANS 1974 wiederveröffentlicht.

die besetzung ist: sun ra, lucious randolph (tp), bill fielder (tp in einem stück), nate pryor (tb), marshall allen (as, fl), james spaulding (as), john gilmore (ts), pat patrick (bs), charles davis (bs), ronnie boykins (b), robert barry (dm), jim herndon (tymp).

obwohl es zwei stilistische „ausreißer“ gibt (die bop-nummer „star time“ und das schillernde b-movie-thema „watusa“) gehen die aufnahmen merklich in eine andere arkestra-richtung. die percussion dominiert jetzt bis zu einem punkt, dass oft nichts anderes mehr hörbar ist oder herdon und barry in soli und duette ausbrechen. es herrscht ein unbeirrbarer walking groove vor, zu dem die melodieinstrumente nur freie, darüberschwebende akzente setzen. marshall allen ist meist auf flöten zu hören, randolph mit eleganten, zarten trompetenlinien. auf dem herzstück „africa“ summt ein männerchor (wahrscheinlich nicht die band, sondern die cosmic rays), außerdem spielt patrick eine elektrisch verstärkte „space lute“. die ‚afrikanisierung‘ des arkestras wird verständlich, wenn man bedenkt, dass blakeys und olantunjis percussion-platten damals schon popmusik waren, trotzdem war diese entwicklung in den früheren arkestra-aufnahmen schon angelegt.

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