Re: Die Gitarre im Jazz

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gypsy-tail-wind
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Ich glaub von den frühen Wes-Alben ist „Full House“ mein liebstes!
Die Scheibe mit Clay find ich leise enttäuschend, ebenso das Album mit Land (aber beide auf hohem Niveau bzw. an zu hohen Erwartungen gemessen enttäuschend… kommt dazu, dass ich Clay lieber am Tenor hören würde, es gibt ja nicht grad viel).

Und nein, Alex: Wes klingt nicht anders auf den frühen oder den späten Sessions. Er ist wohl der wärmste und eleganteste der klassischen Jazzgitarristen, zumal der schwarzen. Sein Ton ist auf den späten Aufnahmen vielleicht noch satter, v.a. etwas schöner eingefangen. Und die Settings – ich musste mich auch langsam annähern – sind durchaus passend, die Arrangements zwischen adäquat bis sehr gut. Zudem ist da ja auch „Smokin‘ at the Half Note“ dabei, eine seiner allerfeinsten Scheiben, und in den Sessions mit Jimmy Smith entstanden ein paar weitere schöne Tracks in kleiner Besetzung. Und ja, ich mag sogar die Overdub-Tracks auf „Willow Weep for Me“! Wes ist gross!

katharsisNun ja, anders. Es kommt mir so vor, als hätte er die Gitarre früher als perkussives Instrument behandelt, während er es später als weiches Saiteninstrument gespielt hat. Irgendwie war früher mehr Dynamik, mehr Druck dahint, insbesondere was das kraftvolle Daumenspielen und die Oktavläufe anbelangt.
Auch die Settings waren früher eher auf kleine Bands ausgerichtet, während später immer größere Bands, bzw. Streichorchester eingesetzt wurden. Er war halt irgendwo ein Kind der Zeit und man könnte auch sagen, dass er vielleicht als einer der wenigen Jazzmusiker den ursprünglichen Versprechen später nicht gerecht wurde.

Unsere Posts haben sich überschnitten… und ich beliebe umgehend zu widersprechen.
Dass Wes‘ Spiel flüssiger geworden ist, weniger perkussiv: ja, dem pflichte ich bei. Allerdings höre ich keinen Bruch sondern eine langsame Entwicklung und zwar keine hin zu langweiligerem Spiel sondern eine hin zu mehr Meisterschaft.

Vor nicht allzu langer Zeit noch hätte ich wohl ganz ähnlich argumentiert wie Du, aber ich bin mittlerweile an einem Punkt, an dem ich die orchestralen Settings auf der Art Album, wie Creed Taylor sie für Wes produziert hat, gleichermassen schätzen kann wie eine gute Rhythmusgruppe und einen kleinen Rahmen. Gerade im Gitarristen-Vergleich schneiden die Alben sowieso als überaus geschmackvoll ab, was man von Grant Greens elektrischen Alben keinesfalls immer behaupten kann… ich halte irgendwie „Movin‘ Wes“ und „Bumpin'“ nicht mal wirklich für Crossover-Versuche (ganz im Gegensatz zu Scheiben wie „Green Is Beautiful“) sondern einfach für Alben, die Wes auf den Leib geschneidert und in bester Qualität umgesetzt wurden.

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