Re: Johnny Cash – American V: A Hundred Highways

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sonic-juice
Moderator

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So, nun noch meine Bewertung, etwas verspätet: ****1/2.

Ganz schön viel eigentlich. Anders als in manchen Kritiken zu lesen, finde ich in den Arrangements allerdings nirgends Melasse, Maggi oder Mehlschwitze. Das ist alles mindestens so à point gegart,so übersichtlich angeordnet, so luftig und so karg wie auf American II-IV, eher sogar karger. Zugleich erstaunlicherweise homogener als seine Vorgänger und insofern nur mit American I vergleichbar. Man spürt den Respekt Rubins und jedes involvierten Studiomusikers vor Cash, aber auch vor der Aufgabe, die sie bravourös bewältigt haben. Die Instrumente und sogar die Songs selbst stellen sich ganz in den Dienst der Sache bzw. des Mannes – um genau zu sein, fast alle, denn bei „If You Could Read My Mind“ verorte ich die einzige Untiefe, da es den Albumfluß durch seinen spürbaren Fremdcharakter stocken lässt und durch seinen aufdringlichen Bekanntheitsgrad die Aufmerksamkeit auf sich ablenkt: das hört sich – anders als der bestens integrierte Springsteen-Titel – so gar nicht nach einem Lied von oder für Cash an. Im Übrigen gehen aber die Kompositionen ganz in Cashs Vortrag auf, es geht gar nicht so sehr um die Eingängigkeit bestimmer Melodiestränge, nicht mal um die Bedeutungsschwere einzelner Zeilen, sondern, auch wenn es pathetisch klingt, um das vollständige nackte Verschmelzen von Werk und Interpret. Ob die Songs nun in ihrer Gesamtheit mehr oder weniger eminent erscheinen (3 Hits auf American IV gegen 4 auf American III gegen…?) spielt daher für meine Bewertung dieses Albums keine wesentliche Rolle. Es ist ungemein beeindruckend, – und das ist vielleicht das größte Verdienst Rubins – , dass es sich tatsächlich trotz Nachvertonung und -selektion der Tracks nach einem geschlossenen Werk, nach einem „Album-Album“, nicht nach dem kleinen Bruder von „Unearthed“ anhört.

Die Intensität und Spiritualität, die natürlich auch den außermusikalischen Umständen geschuldet ist, ist stellenweise atemberaubend, nicht nur dort, wo Cashs eigener Atem stockt; sie erinnert mich atmosphärisch, anders als manches auf den Vorgängern, nicht an die anständige wie solide Hausmannskost eines Tom Petty, sondern an das drängende, kompromisslose Bekenntnis eines David Eugene Edwards, wie es auf „Folklore“ von Sixteen Horsepower oder auf den Woven Hand-Alben zu hören ist – nur eben in Cashs eigener gottgefasster Gelassenheit.

Wenn man nun einzelne Songs als besonders groß herauspicken wollte, dann wären das für mich neben dem archaisch stampfenden „God´s Gonna Cut You Down“ und seiner letzten Eigenkomposition „Like The 309“ das wohlweislich titelgebende, in seiner bilanzierenden Direktheit tränenziehende, und schlicht und einfach perfekte „Love´s Been Good To Me“. Nicht nur deshalb fällt die zweite Albumseite um keinen Deut gegenüber der ersten Seite ab. Welch ein Abschied, welch eine Bürde für ein etwaiges American VI!

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