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Ich finde, wer gern schreibt sollte das Album dann auch mit eigenen Worten beschreiben. Die Kritiken der Journalisten kennen wir ja alle. Die Geschichte auch, aber was veranlaßt Dr. Music, dieses Album hier reinzustellen? Mit der Bewertung, dass In Utero schwächer sei.
Also Dr.
Ich möchte auch mal mehr als eine Liste lesen…
Na gut, habe mal vor ’nem Dreivierteljahr ’ne Kritik zu „Nevermind“ verzapft und hier ist sie:
Über dieses Teil wurde eigentlich schon alles gesagt, aber die Platte ist mir zu wichtig und so gebe ich hier und jetzt meinen offiziellen Senf dazu ab.
Vor gut 10 Jahren wurden diese unseligen und unsäglichen Achtziger als Trend beendet. Zu Grabe getragen und eingebuddelt von dieser Platte. Punkt. Da mag es irgendwelche Vorgänger und Mitläufer gegeben haben, aber den Zeitgeist dargestellt, bewusst gemacht und weiterentwickelt, tja, das haben Cobain und seine Mannen mit Nevermind.
Smells like Teen Spirit ist eine der größten Hymnen der Popgeschichte und steht in einer Reihe mit Knallern wie Satisfaction, My Generation oder etwa Anarchy in the UK. Das sind Lieder, die einerseits die persönlichen Umstände des jungen Songwriters artikulieren, seine Frustrationen und Ängste sich selbst gegenüber und andererseits gegenüber den Erwachsenen resp. dem Establishment. Zum dritten sind o.g. Sachen archetypisch für ihre Zeit, sie bringen etwas zum Ausdruck und auf den Punkt und gleichzeitig zum Höhepunkt, sie führen etwas zu Ende und schaffen einen Anfang. Und obwohl sie (oder gerade weil sie?) so persönlich und zeitgebunden sind, sind sie gleichzeitig so universell und zeitlos. Und genau in diese Kerbe haut auch Teen Spirit. Mit 4 Zweifingerakkorden geht es los und es folgen 5 Minuten für die Ewigkeit. Ray Davis, ein Mann, der verdammt viel von Songs versteht, sprach von „…one of the best songs of all times…“ und von einem „…great arrangement…“. (Ob die Autoren o.g. Stücke das alles so beabsichtigt haben sei dahingestellt und ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Das Ergebnis als solches zählt!)
In Bloom zeigt, dass Cobain derjenige welche ist, der die Macht über die schönen Songs hat. Im Gegensatz zum doch recht rudimentären Vorgänger Bleach ist das Songwriting nämlich jetzt voll entwickelt, wobei witzigerweise die Melodiebögen hauptsächlich vom Bass kommen.
Weiter geht es mit Come as you are, das mir ob dem Gemisch aus Angst, Trauer, Resignation, Akzeptanz und Melancholie damals wie heute Schauer über den Rücken jagt. Übrigens gut möglich, dass er den Tod meint.
Und so geht es weiter. In Lithium finden wir die pure Verzweiflung, die Polly ist so herrlich melancholisch, Territorial Pissings bietet den krassen Lärm und Drain you reißt mich mit seiner Energie immer noch mit. Ach ja. Zum Schluss thronen die ersten 3 Minuten von Something in the Way über allem.
Die spieltechnischen Möglichkeiten der Herren Cobain, Novoselic und Grohl stehen an dieser Stelle nicht zur Debatte, interessanter ist die Arbeit des Produzenten, Butch Vig. Der hat nämlich genau die Mitte zwischen Disziplin/Technik und Chaos/Lärm getroffen und zwar so genau, dass alles möglich wurde.
Und danach? Zuerst mal „regierte“ der Grunge und dann hat sich Cobain umgebracht. Saturn frisst seine Kinder!
Mitte der Neunziger war die (kommerzielle) Hochzeit des Brit-Pop (da gibt es eine Menge toller Sachen!) und danach wurde es (von den Trends her gesehen!) wieder reichlich öde. Da gibt es so Sachen wie „Nu Metal“ und „Nu Rock“ (schon die Schreibweisen sind grauenvoll) und dann habe ich mal was von „Emo“ gehört (was zur Hölle ist das?). Brüllende Bübchen mit Hosen, die als 6-Tage-Klo fungieren könnten, Turnschuhen und ganz vielen Ohrringen, Piercings und Tätowierungen schwingen die Fäuste, schauen ganz arg grimmig drein, prügeln auf ihre Gitarren und wissen bei ausgeklügelsten Produktionsmethoden meist gar trefflich zu langweilen, aber da Cobain wirklich nichts dafür.
Nein, Kurt, Du musst deswegen nicht weinen. Du warst eh schon immer sehr traurig und ändern würde es eh nichts. Du hast uns was wunderbares gegeben. Danke!
:sauf:
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Shot a man in Reno just to watch him die...