Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Die musikalische Länderkunde › Afrika › Re: Afrika
Terrence Ngassa – Ngassalogy Vol. 1(2008)
Terrence Ngassa hat ein Problem, er muss die Qualität der Präsentation seiner kommenden Alben zumindest ein bisschen der Klasse der darauf enthaltenen Musik anpassen. Es ist wirklich erstaunlich, wie man im Jahr 2008 einem Album ein derart schlechtes und unprofessionelles Artwork verpassen kann. Und das ist sicher keine Frage des Geldes, denn jeder Billigsampler vom Mediamarkt-Wühltisch sieht besser aus und selbst ich schieße mit dem Handy bessere Fotos. Wenn man Ngassa dann allerdings live erlebt hat, spielt das Cover keine Rolle mehr. Nach 2 von 3 45-minütigen Sets im Heilbronner Cave 61 bin ich hinter die Bühne und traf auf einen sichtlich überraschten Ngassa. Sehr sympathisch, aber nicht besonders verkaufsfördernd, denn ich war der erste, der an jenem Abend sein Album kaufen wollte. Ich habe ihm dann schließlich dazu geraten, seine CDs doch auf der Bühne anzubieten, damit die Leute auch sehen, dass es etwas zu kaufen gibt, was wohl dann auch tatsächlich geholfen hat.
Der 1974 in Bamenda in Kamerun geborene Musiker erbte die Begabung und die Leidenschaft für die Musik von seinem Vater, der heute noch ein bekannter und beliebter Trompeter in seiner Heimat ist. Schon zu Beginn seines Studiums gründete er mit gleichgesinnten Kommilitonen eine Band. Er studierte zwar zunächst Geschichte, dennoch nahm die Musik einen weitaus wichtigeren Teil seines Lebens ein und so spielte er ausgiebig auf Festivals u.a. auch in Yaounde, der Hauptstadt Kameruns wo er auch mehrfach als bester Trompeter seiner Heimat ausgezeichnet wurde.
Es war der Direktor des örtlichen Goethe Instituts, der ihn förderte und dazu riet, eine deutsche Musikhochschule zu besuchen. Dank eines Stipendiums des DAAD landete er schließlich im Jahr 2000 an der Kölner Musikhochschule. Dort lernte er Theorie und Notenlesen und konnte dies mit den Klängen und Traditionen westafrikanischer Musik kombinieren, was sich schließlich auch in seinen eigenen Kompositionen wiederfindet.
Die an jenem Abend gespielten Stücke finden sich auch zum größten Teil auf seinem ersten Album Ngassalogy Vol. 1, ein Album, das aus 10 Stücken besteht, die Terrence Ngassa alle selbst komponiert hat. Das Stück, das dem Album den Namen gibt, war seine erste Eigenkomposition überhaupt, ein mitreißendes Stück, das frei übersetzt bedeutet, dass man immer erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren sollte. Ngassa versteht es aufs Vorzüglichste, Themen aus der Heimat sowohl inhaltlich als auch musikalisch in seine Musik zu integrieren. Das Fundament ist dabei immer der Jazz, jedoch finden sich hier und da auch schon mal Afrobeat oder Highlife Rhythmen. So geht es z.B. in Sok Chen um eine Suppe, die in Kamerun traditionell frisch Verheirateten als Afrodisiakum serviert wird. Solche Stücke spielen auch die Lebensfreude in Ngassas Musik wider, die aber auch ernstere Themen nicht außen vor lässt, so geht es im traurigen Praise for twins um eine Mutter, die ihre neugeborenen Zwillinge aussetzt. Musikalisch umgesetzt mit exzellenten Soli an Trompete von Ngassa selbst und Altsaxofon, u.a. gespielt von Maxim Begun, der auch zum Live Quintett gehört.
Ngassalogy Vol. 1 ist ein ausgezeichnetes Debüt geworden und lässt hoffen, dass noch viele Alben folgen werden, dann aber bitte mit besseren Coverfotos.
--
Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?