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K’Naan – The Dusty Foot On The Road (2007)
Ich muss gestehen, dass ich mich bislang mit HipHop nur am Rande beschäftigt habe. Und so kenne ich auch das Debüt Album The Dusty Foot Philosopher dieses Rappers aus Somalia nicht. Der Titel dieses Albums spielt wohl auf die Tatsache an, dass er bis zu seiner Flucht mit 13 immer barfuß unterwegs war und erst in Nordamerika erstmals überhaupt Schuhe trug.
K’Naan Warsame, so sein vollständiger Name, wird 1978 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu geboren, also zu einer Zeit, in der schon heftige Unruhen das Land erschütterten. Im Alter von neun Jahren beginnt K’Naan zu rappen wie seine amerikanischen Vorbilder, deren Platten er von seinem Vater, der längst nach Amerika ausgewandert war, zugeschickt bekam. Er rappte auf Englisch obwohl er die Sprache nicht verstand und erst Jahre später herausfinden sollte, was die Verse tatsächlich bedeuteten. Ansonsten ist seine Kindheit von Gewalt geprägt, die im vom Bürgerkrieg zermürbten und nicht zur Ruhe kommenden Somalia zum Alltag gehört. Mit 8 betätigt er zum ersten mal eine Schusswaffe und mit 11 sprengt er mit einer gefundenen Granate versehentlich die halbe Schule in die Luft und ist immer wieder auf der Flucht vor Kämpfern, welche die Straßen Mogadischus unsicher machen. Dabei empfindet es es bis heute selbst als größte Gnade, dass er niemanden töten musste. 1991 gelingt seiner Familie quasi in letzter Sekunde die Flucht nach New York. Von dort aus ging es dann weiter nach Toronto, wo sich eine große somalische Auswanderergemeinde angesiedelt hatte. In der zehnten Klasse bricht K’Naan, dessen Name sowiel wie „Reisender“ bedeutet, die Schule ab und begibt sich gemäß seines Namens auf eine zwei Jahre dauernden Reise, die ihn auch in die Schweiz führt, wo er hauptsächlich versuchte, mit seinen Kriegserlebnissen fertig zu werden. 1999 übt er bei einem Spokenword Auftritt vor dem UN-Flüchtlingskommissar heftige Kritik am Verhalten der UN in der Somalia Frage. Der ebenfalls anwesende Youssou N’Dour engagierte ihn darauf hin für das Album Building Bridges, mit dem der UNHCR sein 50-jähriges Bestehen feierte. Beim Jazzfestival in Montreal im Jahr 2002 trifft er dann auf Jervis Church, der 3 Jahre später sein Debütalbum produzieren soll. Um dieses Album zu bewerben, begibt er sich 2005 mit Mos Def und Talib Kweli auf „BreedLove Odyssey“-Tour und erhält 2006 schließlich den Juno Award für das Rap Album des Jahres. K’Naan selbst bezeichnet seine Musik als „urgent music with a message“, deren hauptsächliches Thema seine Erlebnisse und Erfahrungen in Somalia sind, wenngleich er sich nicht als politisch bezeichnet sondern seine Musik vielmehr als Ventil zu Verarbeitung seiner Vergangenheit ansieht.
Bei ausgedehnten Touren entsteht schließlich das Live Album The Dusty Foot On The Road. Meist nur von Gitarre und Percussion begleitet schafft K’Naan hier bisweilen eine beklemmende Atmosphäre und zeigt aber auch deutlich, dass es dafür gar nicht mehr bedarf. It’s the African Way, ein Songtitel, der stellvertretend für das gesamte Album steht. What’s Hardcore?, fragt K’Naan im gleichnamigen Stück. Eine Frage, die er selbst wohl am Besten beantworten kann, und nicht etwa all jene Rapper, für die Begriffe wie Hardcore nur Mittel zum Zweck sind. „I’ma spit these verses because I feel annoyed And I’m not going to quit until I fill the void If I rhymed about home and got descriptive I’d make 50 Cent look like Limp Bizkit.“ rappt er deshalb folgerichtig. Denn Hardcore, das ist der Alltag und die Brutalität in Mogadischu, die Gefahr, die an jeder Straßenecke lauert, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute. Etwas, das man sich vermutlich noch nicht einmal annähernd vorstellen kann, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Und so sind viele dieser Songs kleine Schläge in die Magengrube, die einem bewusst machen, wie gut man es bislang doch selbst hatte. Und dabei wagt K’Naan auch den Blick über den eigenen Tellerrand des HipHop hinaus, wie z.B. im druckvoll nach vorne preschenden In the beginning, das beinahe schon Singer/Songwrite Qualitäten hat, was auch gar nicht weiter verwundert wenn man bedenkt, dass neben Bob Marley und Fela Kuti auch Bob Dylan zu den musikalischen Einflüssen zählt. Is it a myth? kommt gänzlich ohne Instrumente aus und zeigt, dass seine Stimme sich auch als Gesangsstimme bestens eignet. Bei My God, bei dem er von Mos Def, der die zweite Strophe rappt, unterstütz wird, beschränkt sich die musikalische Begleitung auf einen herzschlagartigen Trommelrhythmus, über den K’Naan einmal mehr eindringlich den grausamen Bürgerkriegsalltag beschreibt. Doch trotz der düsteren Atmosphäre, die das Album umgibt, ist von Resignation keine Spur, auch wenn es momentan der pure Wahnsinn wäre, in die Heimat zu reisen, wie K’Naan vor kurzem in einem Interview sagte. It’s the African Way…
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