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Manou Gallo – s/t (2007)
Die Wahlbelgierin und gebürtige Ivorin, die sich selbst als Afropäerin bezeichnet, begann ihre musikalische „Karriere“ bereits im Alter von 8 Jahren, als sie bei einer Beerdingung die heilige Trommel Atombra spielte, was beim Volk der Djiboi bis dato nur den Männern erlaubt war und einem Tabubruch gleichkam. Nur 4 Jahre später schloss sie sich der in Westafrika bekannten Band Woya an und erlernte das für sie typische Bassspiel, was sich später zu einem ihrer Markenzeichen entwickelte. Mitte der 90er stieß sie auf den damaligen Zap Mama Manager Michel DeBock, der ihr ein Casting für die Gruppe vermittelte, die zu jener Zeit auf der Suche nach einer neuen Bassisitin war. Anschließend schloss sie sich den Tambours De Brazza an, wo sie als einzige Frau unter 16 Musikern die Rhythmus-Sektion komplettierte. Im Jahr 2003 veröffentlichte sie dann ihr Solodebüt Dida, das schon alle Zutaten enthielt, die ihre Musik so einzigartig machen.
2007 veröffentlichte sie nun ihr zweites, selbstbetiteltes Album, auf dem sie, wie schon auf dem Debüt, neben Gesang und Bass auch Gitarre und Percussion spielt. Das Fundament ihrer Musik bilden bisweilen komplexe Rhythmen kombiniert mit einem extrem funkigen und hochenergetischen Bass. Afrobeat trifft auf Funk und Soul und wird hier und da mit einem Schuss HipHop veredelt. Auf diesem Fundament also baut die Gallo ihre Songs und erweist sich hier auch als hervorragende Autorin, der es gelingt, die verschiedensten Stimmungen einzufangen. Schon das erste Stück ABJ-BXL (Abidjan-Bruxelles), ein Uptempo Funk, schlägt die Brücke zwischen Europa und Afrika. Chanter L’Amour dagegen ist eine Ballade, die von einer gescheiterten Liebe handelt und über eine verführerische Basslinie verfügt. Und spätestens hier wird deutlich, dass der Bass das führende Instrument ist im musikalischen Kosmos der Gallo. Was sie aus den 4 Saiten herausholt ist absolut einzigartig und schlicht und einfach phänomenal. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die Rhythmen der Djiboi, sondern platziert hier und da Drum’n’Bass-Einschübe oder lässt im Stück Woyaklolo, das auf einem Song ihrer früheren Band Woya basiert, den Rapper Balo zu Wort kommen. Ein Stück, das urspünglich noch die Geschichtenerzähler des Afro-Dorfes, die sogenannten Griots, pries und in dieser neuen Version noch einen Schritt weitergeht: jeder Musiker sollte zum Lautsprecher seiner Leute werden. Terre dagegen zeigt einmal mehr, mit welcher Leichtigkeit hier komplexe Rhythmen mit weichem Chrogesang kombiniert werden. Ein Stück, das zum einen auf den Bürgerkrieg und die nachbarschaftliche Hilfe zwischen Liberia und de Elfenbeinküste anspielt, das aber auch von einer Welt ohne Grenzen träumt und die afropäische Verschmelzung voranbringen soll. Verdeutlicht wir dies durch aprupte Tempiwechsel sowie kantigen Gitarren- und Bassriffs. Das melancholische Hommage schließlich beginnt beinahe wie ein Chanson, der in der Mitte plötzlich von einem Zwischenspiel bestehend aus einem knarzigem Bass und schrägen Rhythmen unterbrochen wird.
In einem Interview sagte sie unlängst: „Ich bin Afropäerin, habe einen E-Bass und bin funky. Es gibt keine Grenzen: Ich bin ein Vogel, der frei herumfliegen kann. Die Zeit, in der man Afrika mit dem Image des Bananenröckchens verbunden hat, ist definitiv vorbei.“ Besser kann man ihr Album eigentlich gar nicht zusammenfassen.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?