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Various – Golden Afrique, Volume 1 (2005)
Wie bei vielen anderen Musikrichtungen auch, wird im Bereich der sog. Weltmusik, ein Begriff der mir nicht sonderlich gefällt, der Markt mit lieblos aufgemachten Billigsamplern überflutet. Wer einen Einstieg in die Populärmusik Westafrikas sucht, aber nicht so recht weiß, wo er anfangen soll, dem sei dieser Sampler des Frankfurter Network Labels ans Herz gelegt. Zwei randvolle CDs im hochformatigen Digipack, bei dem allein schon das Cover herzallerliebst ist, mit ausführlichen Linernotes geben einen ausgiebigen Einblick in die Popmusik Westafrikas der 70er und frühen 80er Jahre. Die Reise geht dabei durch Länder wie Senegal, Guinea, Mali, Togo, die Elfenbeinküste und den Tschad. Ja richtig, der Tschad, ein Land, das man nicht gerade mit großer Musikkultur in Verbindung bringt und Maitre Gazonga ist auch tatsächlich der einzige Musiker, der über die Grenzen seines Heimatlandes hinaus bekannt ist. Sein ‚Les jaloux saboteurs‘ war in ganz Afrika ein Riesenhit, sollte jedoch auch sein einziger bleiben. Produziert wurde es in Abidjan, was dank seiner Highlife-Rhythmen nicht weiter verwundert. Es finden sich hier aber auch frühe Aufnhamen von Youssou N’Dour mit seiner Band Etoile de Dakar, der quasi nebenbei den Mbalax entdeckt, den senegalesichen Rhythm’n’blues mit seinen schnellen Läufen auf der Talking Drum.
Die politische und zugleich partymäßige Stimmung der einzelnen Beiträge resultiert aus der damaligen Aufbruchstimmung und den Anfängen der Unabhängigkeit der Länder. So wird auch ausführlich die staatliche Unterstützung der Poplultur in den damals sozialistischen Staaten Mali und Guinea dokumentiert. So ist die Rail Band aus Bamako, gegründet vom malischen Informationsministerium, aus der später die Ambassadeurs International hervorgingen und die Brutstätte für Salif Keita und Mory Kanté und andere war, genauso verteten, wie das legendäre Bembeya Jazz National aus Guinea. Von Keita und Kanté gibt es hier zwar keine Solobeiträge, dafür aber von einem anderen Mitglied der Rail Band, nämlich Ousmane Kouyaté mit dem wunderschönen ‚Beni Haminanko‘.
Selbst die Südafrikanerin Miriam Makeba ist hier verteten, was man zunächst sicher nicht vermuten würde. Aber zu dieser Zeit lebte sie im Exil in Guinea, da man ihr aufgrund ihrer Beliebtheit in ihrem Heimatland den Pass abgenommen hatte.
Einer der interessantesten Beiträge auf dieser Kompilation liefert die Guelewar Band of Banjul aus Gambia. In ihrem Stück ‚Warteef Jiggeen‘ kombinieren sie traditionelle Rhythmen mit typisch europäischen Prog Elementen inklusive schrägem Gebläse und Synthesizer Solo. Da das Ganze natürlich bei weitem nicht die Perfektion bekannter Vertreter des Prog Genres erreicht, kann man sich dem Charme dieser Aufnahme, dem Aufeinanderprallen zweier musikalischer Welten kaum entziehen. Es zeigt aber auch die Vielfalt westafrikanischer Musik, in der hier und da auch afrokaribische Einflüsse zu hören sind, wie z.B. in der Ballade ‚Paulette‘ von Balla es ses Balladins oder dem Beitrag des Orchstra Baobab aus Senegal.
‚Golden Afrique‘ ist eine in jeder Hinsicht überzeugende Veröffentlichung, bei der sowohl Einsteiger als auch Kenner voll auf ihre Kosten kommen dürften, da hier nicht nur Klassiker sondern auch einige Raritäten verteten sind.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?