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Bembeya Jazz National – The Syliphone Years (2004)
Bembeya Jazz National formierte sich Mitte/Ende der 60er Jahre im damals sozialistischen Guinea. Wie auch in Mali wurden hier moderne Tanzkapellen von den Machthabenden gefördert um u.a. auch die vermeintliche Fortschrittlichkeit des Systems zu zeigen und nicht selten waren die Lieder Lobgesänge an die Staatschefs wie in diesem Falle Sekou Touré, der in Guinea bis Mitte der 80er regierte. An Originalalben oder gar Singles aus dieser Zeit heranzukommen ist nicht ganz einfach und meist auch recht kostspielig. Dieser Sampler dokumentiert auf zwei randvollen CDs hervorragend die Frühphase der Band, also die späten 60er und frühen 70er, und beinhaltet viele Singles aber auch Albumtracks, einige davon hier sogar erstmals auf CD. Sämtliche Aufnahmen wurden ursprünglich auf dem einzigen Label in Guinea, dem Syliphone Label veröffentlicht. Die Aufnahmequalität ist recht unterschiedlich, was auch daran liegt, dass die Masterbänder oft nicht mehr vorhanden sind und somit direkt von Vinyl überspielt werden musste.
Ähnlich wie später auch das Orchestra Baobab aus dem Senegal ist bei Bembeya, benannt nach dem gleichnamigen Club in Conakry, der kubanische Einfluss nicht zu überhören, jedoch integrierten sie in ihre Musik zusätzlich noch Jazz- und Swingelemente, wobei die Bläser machmal etwas schräg klingen, was dem Ganzen eine leicht exzentische Note verleiht. Titel wie ‚Republique Guinée‘, eine Ode an die Unabhängigkeit, ‚Armée Guinéenne‘ oder ‚Air Guinée‘ sprechen für sich. Letztere diente sogar als Werbesong für die damals neu gegründete, nationale Fluggesellschaft. Was diese und andere Songs vor allem auszeichnet ist das Gitarrenspiel Sékou Diabatés, das mit flirrenden, mal spacigen Einschüben maßgeblich für den Sound Bembeyas verantwortlich war. Besonders gut zur Geltung kommt das im 14 Minuten langen und auf zwei Singleseiten aufgeteilten ‚Super Tentenmba‘, das nach dem gleichnamigen Tanz benannt ist, aber auch bei ‚Beyla‘, das nach einem langsamen und atmosphärische Intro in ein beschwingtes Finale mündet. Ein weiterer Höhepunkt ist ‚Moussogbe‘, eine Interpretation eines traditionellen Liebesliedes, gespielt im Mamaya genannten Tanzrhythmus, der in den 50er und 60er Jahren in Guinea sehr beliebt war und einmal mehr fesselnde Saxophon- und Gitarrensoli beinhaltet. Aber auch Parallen zu Fela Kuits Afrobreat finden sich hier, wie z.B. in ‚N’Gamokoro‘, das zusätzlich mit Mariachi-artigem Gebläse aufwartet. Ebenfalls erwähnenswert ist das Stück ‚Sina Mousso‘, welches eine herbe Kritik an der weit verbreiteten Polygamie zum Inhalt hat, was, von Männern vorgetragen, in einer durchaus chauvinistischen Welt einerseit gewagt zu sein scheint, aber andererseits ganz gut in das Konzept der sozialistischen Regierung zu passen schien. Abgerundet wird dies ein weiteres mal durch ein fantastisches Solo Sékou Diabatés. Dies war auch gleichzeitig eine der letzten Aufnhamen des Sängers Aboubacar Dembar Camara, der 1973 bei einem Autounfall tragisch ums Leben kam.
Trotz der machmal bescheidenen Klangqualität, was den Spaß an den Aufnahmen nicht im Geringsten beeinträchtigt, handelt es sich bei den ‚Syliphone Years‘ um ein feines Dokument westafrikanischer Popmusik der 60er und frühen 70er Jahre.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?