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Fela & Afrika 70 – Zombie (1977)
Der 1997 an Aids verstorbene Fela Anikulapo Kuti dürfte wohl einer der produktivsten Künstler Afrikas gewesen sein. In seiner Heimat Nigeria wird er quer durch alle Bevölkerungsgruppen verehrt wie sonst nur Elvis in Amerika und sein Anwesen in Lagos ist eine Pilgerstätte vergleichbar mit Memphis. Es ist ein schier unmögliches Unterfangen, dem Künstler Fela Ransome Kuti, wie er ursprünglich hieß, gerecht zu werden. Sein Status in der nigerianischen Bevölkerung ist vergleichbar mit dem eines Bob Marley in Jamaica, er war die Stimme der Armen und Unterdrückten, der Leute auf der Straße.
Das Album ‚Zombie‘ zählt sicher mit zum Explosivsten, was man als nigerianischer Musiker Mitte der 70er in seinem Heimatland veröffentlichen konnte und zwar weniger von der musikalischen sondern vielmehr von der politischen Seite her betrachtet. Nicht wenige haben ihm damals davon abgeraten, es zu veröffentlichen, vor allem wegen des Titelstückes. Er hat es trotzdem getan und musste teuer dafür bezahlen, es zeigt aber auch, dass es sich von nichts und niemanden beirren lies in seinem Kampf für ein besseres und gerechteres Nigeria. Wie explosiv dieses Album damals tatsächlich war kann sich jeder selbst ganz einfach ausrechnen, denn zu jener Zeit regierte eine Militärjunta und das Stück ‚Zombie‘ verhöhnt Soldaten auf das Heftigste als seelenlose Maschinen, die nur das tun, was ihnen sagt wird. Als musikalische Untermalung diente dabei eine Form von Afrojazz, bei der neben Schlagzeug und Percussion vor allem Bläser, Fela selbst spielte u.a. Saxophon, zum Einsatz kamen. Garniert wurde das Ganze dann meist mit einer Art Call and Response Gesang, bei dem Fela als „Vorsänger“ fungierte der den Soldaten Anweisungen wie „Attention! Double up! Fall In! Fall out! Fall down! Get ready!“ entgegenrief und von einem Frauenchor begleitet wurde, der zwischen den Anweisungen immer wieder mit „Zombie“ antwortete. Vorgetragen wurde die Texte in Pidgin English, der Sprache mit der man sich wohl am besten in Lagos durchschlagen kann und hauptsächlich vom Volksstamm der Yourba, dem auch Fela angehörte, gesprochen wird. Wie die meisten seiner Alben besteht auch ‚Zombie‘ aus nur zwei jedoch langen Stücken. Auf der B-Seite des Album gibt es ‚Mr. Follow Follow‘, das in eine ähnliche Kerbe haut. Auch hier werden Fela-typisch Menschen verhöhnt, die blind anderen folgen. Komischerweise hatten die Amerikaner selbst bei Alben aus Nigeria die unschöne Angewohnheit, diese zu verändern. So gibt es auf der US Ausgabe statt ‚Mr. Follow Follow‘ die beiden mir unbekannten Stücke ‚Monkey banana‘ und ‚Everything scatter‘. Die RCA Neuauflage aus dem Jahr 2001 enthält neben den beiden Originalsongs noch die beiden unveröffentlichten Stücke ‚Observation is no crime‘ und ‚Mistake‘, letzteres eine Liveaufnahme vom Berliner Jazz Festival 1977. Beide Stücke fügen sich nahtlos in das Originalalbum ein und bieten einmal mehr wilde, vertrackte Rhythmen und lange Improvisationen.
So sehr das Album bei der Bevölkerung ankam, die Menschen in den Straßen beschimpften wann immer sie einen Soldaten sahen diesen mit „Zombie“, so wenig war die nigerianische Regierung davon erfreut und lies in der Folge Felas Anwesen mit einem Aufgebot von 1000 Soldaten niederbrennen. Bei dieser Militäraktion wurden nicht nur sein Aufnahmestudio mit sämtlichen Instrumenten und Mastertapes vernichtet sondern auch seine 82-jährige Mutter umgebracht. Fela selbst floh daraufhin nach Ghana ins Exil um aber bereits 1978 nach Nigeria zurückzukehren und seine eigene Partei MOP (Movement of the people) zu gründen.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?