Re: BAP

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kritikersliebling

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Immer noch ein Album mehr.

Ist ein Album mit einem guten Sound besser als ein Album mit guten Songs oder umgekehrt?
Das eine hat mit dem anderen meines Erachtens nur sekundär etwas zu tun. Der Kniff des Toningeneurs ist doch wohl das positive Verstärken der Songs. Sie so aufzunehmen, wie es dem Song jeweils dienlich ist.
1981
Eine aufnahmetechnisch unerfahrene Band namens BAP begeben sich in das Studio der Rüssmanns. Die Songs werden einfach aufgenommen. Man spielt zusammen eine Guide-Spur ein und anschließend leistet man sich den Luxus, die Instrumente getrennt nochmal aufzunehmen. So hatte die Band das ja bei den beiden vorherigen Alben auch gemacht, aber jetzt stand da die EMI hinter und entsprechend luxuriös war das Budget, dass zur Verfügung stand. Vergleicht man „für usszeschnigge“ mit anderen Veröffentlichungen anderer deutscher Künstler aus dem Jahr, klang die BAP-Platte stets sehr eigen, was beim Gesang, der nahezu ohne Bässe abgemischt zu sein scheint, besonders deutlich wird. Möglicherweise sollte es so. Aus heutiger Sicht klingt das Album deutlich dünner als alle nachfolgenden Aufnahmen. Selbst das 1982 aufgenommene „Vun drinne noh drusse“ wirkt da schon etwas anders, ist aber im Grunde genau wie „für usszeschnigge“.

1984
BAP goes Heavy Metal. Das waren damals die ersten Gedanken einiger Musikjournalisten. Das Schlagzeug klang (wohl auch durch den Personalwechsel) plötzlch viel fetter, Steve Borg konnte besser Bass spielen, als man bis dahin gehört hatte (es wurde mehr mit Effekten gearbeitet), doch der Gesang klang im unteren Frequenzbereich immer noch etwas dünn.

1985
Klanglich überladen, zuviele Effekte. Jetzt wurden die vielen guten Songs der „Ahl Männer, aalglatt“ geradezu technisch vergewaltigt. Spielfreude wurde durch sicheres Spiel ersetzt. Man war immerhin bei MACK (ELO, Queen u.a.) im Studio gewesen. Eine Zusammenarbeit, die überhaupt nicht zusammen passen konnte.

1987
„Da Capo“ vereinte dann Soundbrei (Shanghai), langweilige Songs (Fortsetzung folgt) mit langweiligen Themen (Saison der Container) und vollmundigen Statements (Niedecken „singt“, neue Arbeitsweise, Niedecken spielt ein Gitarrensolo). Im Grunde war letzteres der beste Grund, dieses Album gar nicht erst zu kaufen. Aber da BAP in mein Beuteschema passte, ignorierte ich das Unsichtbare zwischen den Zeilen (was sogar soweit ging, dass ich mir das Album später als CD nochmal gegönnt habe).

1990
Back to the desaster. Der Sound von „X für ‚e U“ ist glatt. Bei der Tour sehe ich Major mit so einer Reversed-Gitarre (Kopfplatte zeigt nach oben, Wirbel sind unten). Das erinnert mich stark an ein Bandfoto von Warlock und irritiert mich. Nun sind sie offenbar perfekt. Perfekt im Sound, perfekt in der Darbietung und perfekt unterkühlt. Doch die Songs sind es nicht. Sie haben immer noch den Charme des Zerbrechlichen. Thematisch eng an Niedeckens Biografie angelehnt, wie selten auf einem BAP-Album.

1993
Mit „Pik Sibbe“ erscheint zum ersten Mal ein Album, bei dem man von Homogenität sprechen kann, wenn man Sound und Songs betrachtet. Mittlerweile, so scheint es, hat es die Band verstanden, dass zwar alle Effekte und jede Technik verfügbar zu sein scheint, man sie aber nicht zwangsläufig nutzen muss. Wenn doch bloß alle Alben so klingen würden.

1996
„Amerika“ ist dann tatsächlich ein Spätwerk, ein Meisterstück, das niemand mehr für möglich gehalten hat. Die Band traut sich Geduld zu, Niedecken traut sich Gefühle zu und der Einfluss von Jens Streifling ist unüberhörbar. Er verleiht dem Album das gewisse Etwas.

1999
Man könnte glauben, das „Comics und Pinups“ aus Outtakes des „Amerika“-Albums besteht. Inhaltlich etwas zerfahren zwischen Verdruss (Wat jeht uns die Sintflut ahn?), Erinnerungen an die Jungend (Hück ess sing Band en der Stadt), was den Verdacht aufkommen lässt, hier ein massentaugliches Rockstück angefertigt zu haben; Tagträumereien (Lena, Widder su ’ne Sonndaachmorje)), dass aber in meinen Ohren sehr gut gemacht ist; Radiotauglichkeit (Ahnunfürsich) und und und… Dennoch ein gut hörbares Album.

Drei Wünsch frei
1. Statt alle Alben zu remastern, sollten alle Alben vor Pik Sibbe mit dem Sound von Pik Sibbe neu aufgenommen werden.

2. Jens Streifling sollte sich das nochmal überlegen und zurück kehren

3. BAP möchten doch bitte damit aufhören, jede Masche, die sich bietet mitzustricken.

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Das fiel mir ein als ich ausstieg.