Re: BAP

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sokrates
Bound By Beauty

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Aus dem BAP-Sterne-Thread:

DJ@RSO

Mich wundert ja häufig, was manche für ein extraordinäres Hörvermögen haben. Aber das man sogar das Preisschild am Studio akustisch wahrnehmen kann, setzt noch mal einen drauf.

Mick67Ich kann auch nicht nachvollziehen, was an BAP antiquiert bzw. altbacken klingen soll. Dieses Urteil trifft dann wahrscheinlich auf 95% aller Bands zu, die E-Gitarre, Bass und Schlagzeug benutzen und ab und zu Powerchords in die Saiten hauen.

Sokrates@ DJ:

Dazu gehört gar nicht so viel, in erster Linie eine vernünftige Stereoanlage, etwas musikalische Erfahrung, und die Fähigkeit, die Indizien (also das war man hört) zu deuten.

Hör doch mal „Usszeschnigge” und „X für e U” direkt nacheinander – das sind klanglich Welten, der Unterschied im Klangbild leicht erkennbar.

Die erste hat überhaupt keinen Raum, die Akustik im Aufnahmeraum klingt total tot. Da hat’s einer gut gemeint, alles fein einzeln abgenommen, aufgenommen und das dann zusammengemischt – typisch für kleine Studios.

Die zweite ist in der Hinsicht weit übertrieben – die hat das typisch flächige, weite, helle, zu spitze, insgesamt sehr künstliche Klangbild der späten Achtziger, sozusagen die Spätfolge der erste Welle der Digitalisierung, und natürlich eine ästhetische Entscheidung – man muss schon so klingen wollen; und Heuser wollte das.

Heute würde eine Platte wie „Usszeschnigge” so nicht mehr veröffentlicht werden (müssen), weil sich in den 27 Jahren seitdem technisch so viel getan hat, dass Du im Homerecording bessere Ergebnisse erzielst als BAP damals im „Tonstudio Rüssmann”.

SokratesNein, Mick, Du kannst Gitarre, Bass und Schlagzeug abhängig von Deinen technischen Möglichkeiten und den Ideen Deines Produzenten und Toningenieurs sehr unterschiedlich klingen lassen. Der Sound von Rockmusik hat sich im Laufe der Dekaden doch auch massiv verändert.

Eine ganz andere Frage ist, wie Du arrangierst – das zum Thema Powerchords verwenden oder nicht.

KritikersLieblingDas ist jetzt aber etwas einfach ausgedrückt. Umkehrschluss: Betales, frühe Rolling Stones, Kinks. Alles nicht so wahnsinnige Soundoffenbahrungen. Billiges Studio?

DJ@RSOSo hatte ich meinen Einwurf auch gemeint.

SokratesKeineswegs. Man muss die Dynamik des technischen Fortschritts berücksichtigen. In den 60ern war die Vierspur-Technik der limitierende Faktor. Da hatte sich bis „Usszeschnigge” 81 schon viel getan.

Veranschaulichend gesprochen: BAP fuhren einen Golf I statt einen Mercedes, der Golf war aber immer noch besser als ein Käfer aus den 60ern.

KritikersLieblingDa haben wir es ja schon. „Für usszeschnigge“ 1981 und „X für ‚e U“ 1990. Da hat sich noch viel mehr getan, gerade weil die Technik weiter gegangen ist. Und das soll ein Qualitätsmerkmal sein? „Ob-La-Di-Ob-La-Da“ wird niemals ein guter Song sein und „Fuhl am Strand“ ist meiner Meinung nach einer der unauffälligsten Songs mit den schönsten Zeielen und Bildern.

SokratesWas haben wir schon?

Natürlich hat sich bei BAP im Laufe der Zeit noch mehr verändert als nur das Klangbild. Dies aber wurde auf den letzten zwei Seiten am Beispiel zweier Alben diskutiert – nicht dagegen die kompositorische Entwicklung. Bitte auseinanderhalten!

Die Soundfrage scheint mir trotzdem ein aussagekräftiges Beispiel für den künstlerischen Konflikt zwischen Niedecken und Heuser, der sich dann in einem schwächeren Bandoutput niederschlägt.

Selbstverständlich ist die Frage nach dem Sounddesign ein Qualitätskriterium, weil es sich um eine künstlerische Richtungsentscheidung handelt, die zur Identität einer Band beiträgt. Zentrale Fragen: Wie wollen wir klingen? Wie wollen wir gehört werden? Früher war man stärker von technischen Begrenzungen abhängig, heute kann man da praktisch frei schalten und walten. Das macht die Entscheidung noch wichtiger.

Ich bitte um Verständnis, dass ich mich an dieser Stelle ausklinke, BAP sind mir inhaltlich nicht mehr so wichtig.

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„Weniger, aber besser.“ D. Rams