Re: Bob Dylan – Blonde On Blonde

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fletcher

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Blonde on Blonde

Als das beste Album von Bob Dylan und vielleicht sogar, das beste Album aller Zeiten kennt man Blonde on Blonde. Ich möchte gleich am Anfang sagen, dass ich das Album gerne höre, aber den sehr hohen Stellenwert kritisch beäuge. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass die Songs auf dem Album wohl alle etwas mit Liebe zu tun haben, aber ich dennoch keine persönliche Bindung dazu aufbauen kann. Und das scheint mir persönlich wichtiger als die musikalische Bedeutung, die ich in dem Fall aber nicht abstreiten möchte.
Im Februar 1964 befand sich Dylan ,in einem blauen Ford, auf einer Reise mit Al Aronowitz und ein paar anderen Kollegen. Um die Sinne zu erweitern wurde wohl einiges an Marihuana geraucht.
Die literarische Bekanntschaft mit Autoren wie Rimbaud, Verlaines, Baudelaire, Kerouac oder Ginsberg brachten seine Texte noch weiter voran. Nach der Reise hatte Dylan das Material für sein Album „Another Side of Bob Dylan“ fertig, was er später als Übergangsalbum bezeichnete.
Man spührte bei den akustischen Stücken schon eine Bewegung in den elektrischen Rock.
Die beiden Nachfolgenden Alben gingen weiter in diese Richtung.
„Bringin it all Back Home“ und „Highway 61 Revisited“ strotzen vor Poesie, wie sie zu dieser Zeit in der Musik nicht gab. Das abgedroschene Wort Revolutionär findet hier seine Berechtigung.
Der Kontakt mit LSD aber allen voran, die Bekanntschaft und die anschließende Hochzeit am 22.11.1965 mit Sara Lowndes, einem ehemaligem Playmate trieben Dylan`s Kreativität immer weiter voran.
Im Oktober des selben Jahres versuchte Dylan sich das erste Mal, am neuen Album. Doch die Sessions in New York verlaufen nicht so recht, wie Dylan es sich vorstellte.
Am 21.1.1966 beginnen erneut die Sessions, doch diesmal in Nashville. Die Country Hauptstadt scheint Dylan und seinen Begleitmusikern (Al Kooper,Wayne Moss,Robbie Robertson) gu zu tun.

Den Anfang macht Rainy Day Woman #12&35, ein höchst ungewöhnliches Party Lied. Dylan hatte eigentlich vor, den Song auf dem gegenüberliegendem Parkplatz mit einer Heilsarmee einspielen zu lassen. Doch Kooper schlug ihm vor, dass die Band wohl auch undiszipliniert spielen kann, wenn sie sich darauf einlässt.
Dieser scheppernde Song gelangte sogar auf Platz 2 der US Singlecharts.

Pledging my Time halte ich für eher unauffällig und nichtssagend, ein schwerer Blues, wie ihn Dylan gerne spielt.

Well, early in the mornin‘
‚Til late at night,
I got a poison headache,
But I feel all right.
I’m pledging my time to you,
Hopin‘ you’ll come through, too.

Die Wörter wie Poison, oder Medicine singt Dylan im Jahre 1966 des öfteren, dies spricht eine eindeutige Sprache.

An dritter Stelle das Highlight des Albums.
„Visions of Johanna“ sticht heraus, keine Frage. Nicht nur in diesem Album sondern in Dylan`s Gesamtwerk. Im Oktober spielte Dylan diesen Song in der ersten Session, doch härter, wilder.
Hier wirkt er mysteriöser, eleganter, sanfter.

Lights flicker from the opposite loft
In this room the heat pipes just cough
The country music station plays soft
But there’s nothing, really nothing to turn off

Der Song dreht sich um eine Dreiecksbeziehung und Vermutungen wurden wach, ob Dylan sich, Sara und Joan Baez besingt. Das Problem was ich bei diesem Song habe ist, das er mich auf der persönlichen Ebene nicht berührt. Trotzdem glaube ich annährend die Größe des Songs zu erfassen.

Now, little boy lost, he takes himself so seriously
He brags of his misery, he likes to live dangerously
And when bringing her name up
He speaks of a farewell kiss to me

Für damalige Zeiten absolut neu und selbst Heute, nach über 40 Jahren, ist es schwer ähnlich gute Songtexte in der Musik zu finden.

„One of us must know“ behandelt den Schluss einer Beziehung, einer hätte wissen müssen das es nicht klappt.
Einfühlsamer singt er selten, zu dieser Zeit.

„I want you“ ist das aufgeweckteste Stück, auf diesem Album. Mit süßer Melodie beginnt die Mundharmonika.

The drunken politician leaps
Upon the street where mothers weep
And the saviors who are fast asleep,
They wait for you.
And I wait for them to interrupt
Me drinkin‘ from my broken cup
And ask me to
Open up the gate for you.
I want you, I want you,
I want you so bad,
Honey, I want you.

„I want You“ wird am letzten Tag der Sessions, in der Nacht eingespielt, bemerkenswert wie frisch es dennoch klingt.

„Stuck inside of Mobile with the Memphis Blues again“ ist ein Dylan typisches abstraktes Stück. Shakespeare tritt unter anderem auf. Dylan berichtet von Drogenerlebnissen, und am Ende, ist es immernoch schwierig durch diese Geschichte zu steigen.

„Leopard skin Pill Box Hat“ ist wieder ein schwerer Blues, den ich aber als überbewertet halte. Die Kernaussage ist, „Er liebt dich nur wegen deinem Hut“ oder „Ich liebe dich nur wegen deinem Hut.“
1966 wird er in das Liveprogramm aufgenommen. Es wird vermutet, das Dylan sich über die aufkeimende Hippiekultur auslässt.

„Just like a Woman“ soll sich um Edie Sedgwick drehen, mit der Dylan eine Affäre einging.

Nobody feels any pain
Tonight as I stand inside the rain
Ev’rybody knows
That Baby’s got new clothes
But lately I see her ribbons and her bows
Have fallen from her curls.

Auch hier kann mich das Stück nicht so erreichen. Berührender finde ich die Live Version vom „Concert for Bangladesh“.

„Most likely you go your Way“ und „Temporary Achilles“ fallen im Kontext etwas ab. Das eine ist ein wilder Bluesrock, über das Ende einer Beziehung. Dylan gab an, der Text bestände aus Gesprächsfetzen mit ex-Freundinnen.
Das andere ist ein etwas schleppendes, veträumtes Stück, über unerfüllte Liebe.
Oberflächlich höre ich beide Stücke gerne, etwas persönliches lässt sich auch hier nicht einstellen.

„Absolutle sweet Mary“ lässt sich , vom Sound her gut mit „Most likely you go your Way“ vergleichen.

Well, your railroad gate, you know I just can’t jump it
Sometimes it gets so hard, you see
I’m just sitting here beating on my trumpet
With all these promises you left for me
But where are you tonight, sweet Marie?

Auch hier ist das Thema, unerfüllte Liebe.

„4th Time around“ ist wieder einer meiner Lieblinge. Zuckersüße Melodie, und vergleiche mit den Beales Stück „Norwegian Wood“ lassen sich nicht abschütteln.

And, when I was through
I filled up my shoe
And brought it to you.
And you, you took me in,
You loved me then
You didn’t waste time.
And I, I never took much,
I never asked for your crutch.
Now don’t ask for mine.

„Obviously Five Believers“ ist wieder ein abgedrehter Blues, der aber von seiner Klasse nicht unbedingt mithalten kann. Die Frau hat den Protagonisten verlassen, und er will sie zurück.
Diese oft simplen Botschaften verschnörkelt Dylan perfekt

Das letzte Stück des Albums ist nochmal ein wahres Highlight. „Sad eyed Lady of the Lowlands“ wurde Sara gewidmet, und hat bis Heute nichts von seiner Magie eingebüst.
Mit abstrusen Metaphern besingt Dylan seine liebste, doch außenstehende können nur schwer folgen.

With your sheets like metal and your belt like lace,
And your deck of cards missing the jack and the ace,
And your basement clothes and your hollow face,
Who among them can think he could outguess you?

Für diese Zeit betritt das Album neue Welten. Es eröffnet Künstlern wie den Beatles, den Stones, Pink Floyd usw neue Toren. Aus musikalisch-historischen Gründen wohl eines der wichtigsten Meilensteine.
Nur ein Album was ausschließlich Liebeslieder enthält, müsste mich mehr berühren.

****1/2

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Well I'm going where the water tastes like wine We can jump in the water, stay drunk all the time.