Re: kramers LP Faves

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This charming man

Registriert seit: 04.05.2003

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Danke, kramer. Und Zustimmung zu den meisten Punkten in Deinem wie stets beachtlichen Text. Anders als atom meine ich jedoch nicht, daß die von Dir im letzten Absatz genannten möglichen Gründe im Bereich der Spekulation liegen. Sicher: „too little, too late“ wird dankbar genommen, erklärt ja auch für gewöhnlich einiges, aber eben nicht alles. Ich gebe zu bedenken, daß Bonoffs Schicksal von sehr vielen, zum Teil sicher nicht minder begabten Kolleginnen geteilt wurde. Das von Dir angesprochene Überangebot, kramer, war enorm. Nicht nur auf dem Marktplatz, sondern auch in den Medien. Ich sage nur: Wendy Waldman, Bonnie Koloc, Linda Hargrove, die Liste ist lang.
Auch bei den Herren. John D.Souther beispielsweise, dessen Songwriter- und Musiker-Input auf den Platten berühmterer Kollegen seinesgleichen sucht, schaffte es als Solist nie, vergleichsweise erfolgreich zu werden. Andrew Gold hatte zwar einen Hit, von dem er lange zehrte, aber zum Preis kreativer Selbstverstümmelung. Bonoffs erste LP wäre fraglos besser zwei Jahre früher herausgekommen, aber auch 1977 gab es noch Dutzende von Magazinen, die das Singer-Songwritertum in toto coverten, und auch die großen, nationalen Publikationen hatten noch keinen Wind davon bekommen, daß da – Stichwort Punk – eine Zeitenwende anstehen könnte. Der Endorsement-Sticker auf „Karla Bonoff“ zitiert den „Playboy“ und „Crawdaddy“, einen entsprechend weiten medialen Bogen spannend.
Lindas Trick mit dem Covern von Klassikern wurde dann übrigens auch von Karla versucht, auf ihrem Follow-up „Restless Nights“ (1979), mit Jackie De Shannons „When You Walk In The Room“, freilich nun definitiv zu spät (die Ironie: mit ihrem eigenen „Trouble Again“ gelang ihr dann ein kleiner Hit). Schuld an der Misere hatte meines Erachtens Kenny Edwards, der Peter Asher sein wollte, mit diesem Drang und Hang ins Mittige aber alle Bonoff-LPs damals neben die Zeitspur setzte. Und natürlich Columbia, wo in diesen Jahren ein Regime herrschte, das nichts kapierte, sich nicht auf neue Gegebenheiten einstellen konnte. Tatsächlich wohnte „Karla Bonoff“, nicht zuletzt dank der Campbell-Strings, noch ein gewisser Klassizismus inne, den man auf „Restless Nights“ hinüberretten wollte (dasselbe Personal plus Lindley, Kortchmar, Hudson, etc.), jedoch verstand es Edwards nicht, diesem Mehr an Erdung das kongeniale Klangbild zu verpassen. Die Produktion glänzte wie ein Baby-Popo, und die folgende Betulichkeit „Wild Heart Of The Young“ litt nicht nur unter diesem dämlichen Titel, sondern auch noch unter einem grässlich kitschigen Cover, auf dem Karla posiert wie eine dusslige griechische Folklore-Tante.
Es wurde viel falsch gemacht, so viel ist sicher. Besser ausgedrückt: Karla Bonoff ließ viel mit sich falsch machen. Ihre zahlreichen Interviews aus jener Zeit sprechen da eine deutliche Sprache: diese Frau lebte Ende der 70er noch im Kalifornien der Früh-70er, gab sich ahnungslos. Wie immer: wer diesem Phänomen näher treten möchte, wer über die Drehmomente mehr wissen will, die sich aus dem Faktor Ungleichzeitigkeit für Musik und individuelle Karrieren ergeben, sowie für die jeweilige maßgebliche Konkurrenzsituation, muß die Presse der betreffenden Zeit studieren. In Büchern wird das selten mitgedacht. Thanks again, kramer.

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