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Anonym
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KARLA BONOFF – Karla Bonoff (Columbia, 1977)
Someone To Lay Down Beside Me
I Can’t Hold On
Lose Again
Home
Faces In The Wind
Isn’t It Always Love
If He’s Ever Near
Flying High
Falling Star
Rose In The Garden
„I’d like to make a record completely for myself, one that isn’t governed by what other people in the business think it needs to be,“ she said. „I don’t have to go audition. I don’t need a record company to pay for it. I can put it out on the Internet and it doesn’t really cost anything. If a record company picks it up, great. If they don’t, it doesn’t really matter.“
– Karla Bonoff
Wer sich mit Linda Ronstadt beschäftigt, wird recht schnell auch auf Karla Bonoff stoßen. Nicht nur, weil Ronstadt einige Songs von Bonoff aufgenommen hat und sie bei mehreren Gelegenheiten als Background-Sängerin verpflichtete, sondern auch, weil es eine beeindruckende Anzahl von biographischen Überschneidungen gibt, die einen gravierenden Widerspruch zur extrem unterschiedlichen öffentlichen Wahrnehmung und Popularität der beiden Künstlerinnen bilden. Während Linda Ronstadt in den siebziger Jahren aus der gleichen Szene wie Bonoff rund um Doug Weston’s Troubador zum internationalen Superstar und zur „Queen of L.A.“ wurde, blieb Karla Bonoff, von vereinzelten Erfolgen abgesehen, zeitlebens eine respektierte, aber weitgehend unbekannte Künstlerin im Hintergrund – a songwriter’s songwriter. Erstaunlich, wenn man die stilistische Nähe zu Ronstadts Output betrachtet und die Qualität von Bonoffs besten Songs (gerade auf ihrem Debut) berücksichtigt, die im Gegensatz zu Linda Ronstadt zum größten Teil aus eigener Feder stammten und von der gleichen Auswahl hochkarätiger L.A.-Musiker eingespielt wurde, aus deren Reihen sich auch Ronstadt bediente: Waddy Wachtel, Andrew Gold, Leland Sklar, Russel Kunkel, J.D. Souther, Glenn Frey und nicht zuletzt Kenny Edwards, der bereits Mitglied von The Stone Poneys war und mit Karla Bonoff in den späten sechziger Jahren die Band Bryndle gründete, der im Umfeld der aufkeimenden Folk- und Singer/Songwriter-Szene eine rosige Zukunft vorausgesagt wurde. Das Label A&M nahm die Band zwar unter Vertrag, veröffentlichte aber nur eine von Lou Adler produzierte Single und hielt das komplett fertiggestellte Album der Band zurück. „They didn’t release it. I think they didn’t really know quite what to make of it. This was right before Crosby, Stills and Nash, and before Fleetwood Mac. We were these two girls and two guys… the closest thing they could compare us to was the Mamas and the Papas“, erinnerte sich Bonoff später. Die Band löste sich anschließend frustriert auf und veröffentlichte ihr erstes Album erst 1995, nachdem man sich 1991 für eine Reihe von Konzerten wiedervereinigt hatte. Diese Episode dürfte Karla schmerzlich an ihre erste Begegnung mit dem Musikbusiness und daraus resultierenden Enttäuschungen erinnert haben, da sie bereits als Sechzehnjährige zusammen mit ihrer Schwester Lisa unter der Regie des späteren Doors-Produzenten Bruce Botnick als The Daughters of Chester P ein 11-Track-Demo für Elektra eingespielt hatte, ohne dass es anschließend zu einem Vertrag kam. Jackson Browne erinnerte sich später an dieses irritierende Phänomen, das Bands und Musikern aus der gleichen Szene mit ähnlichen Voraussetzungen höchst unterschiedliche Karrieren bescherte: „What I most remeber about the mid-70s was that the music I cared about most wasn’t getting played on the radio. I’m talking about the best songs by people like J.D. Souther, Eric Kaz, Karla Bonoff. Linda and others recorded them, but Linda had huge hits with old Motown and Buddy Holly songs“.
Karla Bonoffs selbstbetiteltes Debut erschien erst 1977 und kann stilistische Ähnlichkeiten mit früheren Ronstadt-Alben wie „Don’t Cry Now“ oder „Linda Ronstadt“ nicht verleugenen, was zu einem großen Teil auch den bereits genannten beteiligten Musikern geschuldet ist. Was allerdings auffällt ist eine stilistische Dichte, ein roter Faden, der bei Ronstadt in dieser Form fast nie zu finden ist, da sie auf die Songs anderer, höchts unterschiedlicher Künstler zurückgreift, während Bonoff fast ausschließlich eigenes Material interpretiert. Bis auf „Flying High“ von Steve Ferguson und „Faces in The Wind“ von Craig Safan stammen alle Songs ihres Debuts von Karla Bonoff selbst. Mit „Lose Again“, „If He’s Ever Near“ und „Someone To Lay Down Beside Me“ finden sich auf dem Album drei Songs, die Linda Ronstadt nur ein knappes jahr zuvor auf „Hasten Down The Wind“ veröffentlicht hat und die zeitliche Nähe der beiden Veröffentlichungen macht den Vergleich der Versionen umso spanender: Im direkten Vergleich der „Lose Again“-Versionen etwa zeigt sich, dass die Ronstadt-Interpretation weitaus angestrengter, dramatischer und inszenierter wirkt als die Bonoff-Einspielung, die sehnsuchtsvoller und verhaltener erscheint. „If He’s Ever Near“ dagegen wird logischerweise unterschiedlich charakterisiert, aber ähnlich interpretiert, während die Ronstadt-Version „Someone To Lay Down Beside Me“ wiederum durch eine Spur mehr Dramatik und Dynamik auffällt, so dass ich in allen drei Fällen die Bonoff-Versionen zum Teil deutlich vorziehen würde.
Die Qualität dieses Album liegt neben dem durchgehend exzellenten Songwriting, Karla Bonoffs überzeugender Stimme und den darauf vertretenen Musikern in der durchgehend stimmigen, unaufgeregten Produktion, die eine ungekünstelte Zurückhaltung transportiert. Eine Art von Understatement, die für große Klasse, Stilsicherheit und echtes Können steht. Unaufmerksame Hörer werden hier nicht viel mehr als ein typisch-solides, durchaus radiotaugliches Popalbum (mit versprengten, entfernten Country-Anleihen) der späten siebziger Jahre entdecken, wer aber auf Details und Hintergründe achtet und sich schon oft über gut gespielte aber dennoch unstimmige, schlampige und seelenlose Popmusik geärgert hat, wird hier ein überdurchschnittlich sensibles Album ohne Schwachpunkte hören.
Warum Bonoffs Debut weitgehend ignoriert würde, liefert weiterhin Anlass zu Spekulation. War es die Herangehensweise ihrer Plattenfirma Columbia? Eine nicht zu unterschätzende Anzahl der damals erfolgreichen Künstler des Genres waren schließlich bei David Geffen und somit Asylum unter Vertrag. Kam das Debut-Album von Karla Bonoff einfach zu spät? 1977 dürfte vieles auf dem Debut wie ein alter Hut geklungen haben und auch Linda Ronstadt begann sich zu diesem Zeitpunkt neu zu orientieren und hatte einige ihrer größten Erfolge ohnehin mit clever ausgewählten Neuinterpretationen bekannter Klassiker gefeiert. Dass die sehr verhaltene Resonanz auf das Album an seinem späten Release liegen könnte, bekommt gerade dann einen bitteren Beigeschmack, wenn man bedenkt, dass Karla Bonhoff mit Bryndle zu den Pionieren einer aufkommenden Szene gehört hatte und gerade darin wahrscheinlich auch der Grund für das frühe Scheitern der Band lag. Schlechtes Timing in beiden Fällen? Bonoff allerdings scheint sich in ihrer gegenwärtigen Rolle als „low profile artist“ wohlzufühlen: „I always had somebody mad at me because I wasn’t making records, keeping up the pace. I’m really not that prolific – I think I’ve spent so much time trying to fit a round peg into a square hole that I just sort of worked my way out of wanting to write anymore. And I got a bad taste in my mouth about not being able to just be myself. I think in the time I’ve taken off, I’ve watched music change to the point where I really see songwriters – and women in particular – being able to write about what they want to. So it encourages me to just go, ‚You know what? I’m just going to write whatever I want, and I’m just going to make the record I want.“
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