Re: kramers LP Faves

#4133191  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

Registriert seit: 01.01.1970

Beiträge: 0

Daniel_BelsazarSo sehr ich manche deiner Auffassungen und Wahrnehmungen zu „Horses“ teile (ja, du liest richtig), muss hier doch meiner Meinung historisch etwas korrigiert werden. Als „Stadionrock“ kommen 1975 wohl allenfalls die Rolling Stones (+ evtl. noch Led Zeppelin in den USA) in Betracht, deren Rezeption durch Patti Smith eindeutig eher positiv zu sehen ist. (Es gab allerdings damals nicht wenige Menschen, die der Meinung waren, dass die Stones ihren emotionalen Drive ziemlich aus dem Auge verloren hätten, unter anderem waren sie vielen Punk-Beteiligten zumindest bis zur ihrer „Antwort“ Some Girls durchaus verpönt.)

Stadionrock – ohnehin wie ich finde ein sehr schwammiger Begriff – beginnt aber eigentlich erst richtig in den 80ern. Falls du vielleicht AoR (Adult oriented Rock) meinst, also sowas wie Foreigner etc, davon gab es zu „Horses“-Zeiten allenfalls erst zaghafte Ansätze. Der eigentliche Beginn ist hier wohl mit Boston („More than a feeling“ 1976) anzusetzen, also zeitlich nach Horses, das mithin auch kein Gegenentwurf dazu gewesen sein kann.

Darüber hinaus bin noch der Meinung, dass Horses so alleine dann doch nicht dastand, insbesondere hinsichtlich der Frage „gegen Bombast und emtionale Leere“. Da gab es durchaus auch andere, ich möchte hier nur mal kurz die Namen Eno und Peter Hammill fallen lassen, ein weiterer folgt unten. Recht zu geben ist dir allerdings im Hinblick auf allgemeine Aufmerksamkeit und vermutlich auch auf den kommerziellen Erfolg. Das Teil hat einfach voll in den Zeitgeist der westlichen Welt reingehauen in seiner Radikalität und nicht unwesentlich auch mit der weiblichen Komponente der intellektuellen Rebellion.

Angesichts der vehementen Argumente, mit denen du Horses und Marquee Moon verteidigst, sind mir deine 2 1/2 kümmerlichen Sternchen für TagoMago wirklich völlig unverständlich, ja sogar geradezu ärgerlich. Vielleicht versuchst du’s nochmal als mindestens ebenso radikalen „Gegenentwurf“ wie Patti Smith zu begreifen? TagoMago ist nichts weniger als das.

Zugegeben – Stadionrock ist ein schwammiger Begriff, der für mich stellvetretend für einen dekadenten, abgehobenen Niedergang von etwas steht, das einmal mit den besten Intentionen begann. Als zeitgenössisches Beispiel fällt mir zum Beispiel die sagenumwobene, drogengetränkte CSN&Y Tour von 1974 durch riesengroße Stadien ein. Von den Ursprüngen dieser zu jenem Zeitpunkt heftigst zerstrittenen Band war längst nichts mehr übrig, Neil Young suchte das Weite, Crosby versank im Drogensumpf und Stills Egozentrik nahm ungeahnte Dimensionen an. In „Hotel California“ von Barney Hoskyns ist gar davon zu lesen, dass jene Tour 1974 zwar geschätzte 11 Millionen Dollar einbrachte, davon pro Bandmitglied aber nur 300 000 Dollar übrig blieben – aufgrund von Größenwahn, Dekadenz und Verschwendung. Das ist u.a. eines der Phänomene, die ich unter dem Begriff Stadionrock kurz und knapp zusammenfassen wollte. Es geht also nicht nur um die Musik oder böse/gute Bands und Künstler, sondern um Veränderungen und Verschiebungen im Musikbusiness allgemein.

TagoMago mag ein Gegenentwurf sein, allerdings einer der mich musikalisch und inhaltlich weder begeistert noch überzeugt und erst recht nicht emotional sondern vielmehr verkopft auf mich wirkt.

Könntest Du mich bitte korrekt zitieren und (auch nicht zu Demonstrationszwecken) nicht „TagoMago“ einsetzen, wo eigentlich „Horses“ stehen sollte? Es gibt garantiert Leser, die nicht den ganzen Thread studiert haben und somit in die Irre geführt werden könnten. Danke.

--