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Anonym
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LINDA RONSTADT – „Don’t Cry Now“ (Asylum, 1973)
I Can Almost See It
Love Has No Pride
Silver Threads And Golden Needles
Desperado
Don’t Cry Now
Sail Away
Colorado
The Fast One
Everybody Loves A Winner
I Believe In You
„I like to pick things that are as specific as possible, but emotions that are easily shared. A lot of writers write things that are just so personal- Joni Mitchell, for instance, writes stuff that is just so specifically about her life, where she really just about names names and places. I always pick material that I will be able to relate to real easily and that most other people would be able to too.“
(Linda Ronstadt)
„Entertainment Weekly“ bezeichnete Linda Ronstadt jüngst als „The Britney Spears of her time“. Ein etwas irritiernder Vergleich, da er lediglich auf Ronstadts sliplosen Auftritt in Johnny Cashs TV-Show fußt, den June Carter Cash in letzter Sekunde zu verhindern wusste: „Somebody get down the street and buy her some bloomers, she’s out there showing herself!“ Ronstadt daraufhin: „I sing better bare-butted.“ Junes Antwort? „Not in front of my Johnny!“ Ansonsten war Ronstadt schon zu Beginn ihrer Karriere alles andere als ein ferngesteurtes Dummchen, Opfer der Medien oder durchgeknallter Eltern, die eine Zukunft ihres Sprößlings im Scheinwerferlicht erzwingen wollten. Auch Peter Asher, Ronstadts späterer Produzent wurde nicht selten mit dem Vorwurf konfrontiert, der wahre Motor und Fadenzieher ihres Erfolges zu sein: „Anyone whos’s met Linda for 10 seconds will know that i couldn’t possibly been her Svengali. She’s an extremely determined woman, in every area. To me she was everything that feminism’s about, at a time when men still told women what to sing and what to wear.“ Wenn man noch die Aussagen anderer Freunde und Bekannten hinzunimmt, die auf eine ganze Reihe von Songwritern und Produzenten verweisen, mit denen Ronstadt sich verabredete, dann könnte man fast an zielstrebige Karriereschachzüge denken, weniger an ein hilfloses, orientierungsloses Karriere-Opfer wie Britney Spears. „Linda went out with a lot of guys, from Kris Kristofferson to Lowell George to Jerry Brown“, weiß Denny Bruce. „She enjoyed being around men who were bright, intelligent, had their own viewpoints and didn’t talk about the music busines all day“.
Ronstadt wuchs als drittes von vier Kindern in einer Familie mit mexikanischen und deutschen Wurzeln in Tucson/Arizona auf. Ihr Vater war Chef der örtlichen Polizei und so wie es scheint, war die Musik schon von frühester Kindheit an ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens: „We always sang together in my family. We’d sing a lot of Mexican music, cowboy songs, and three-part harmony that we heard on the radio and liked. The things i’ve done consistently in my career tend to be things I’ve heard when I was eight or nine years old, and I’ve realised that they tend to be close to agrarian culture of one kind or another“. Wichtige Einflüsse waren die Top 40 jener Zeit und eine eklektische Mischung aus Hank Williams, Gospel, Rhythm & Blues und nicht zuletzt mexikanischer Mariachi-Musik, die in einem späteren Abschnitt ihrer Karriere noch eine wichtige Rolle spielen sollte, als sie die Alben „Mas Canciones“ und „Canciones De Mi Padre“ aufnahm
Nach ersten Gehversuchen in einer Folk-Group namens „New Union Ramblers“, zu der ihre Schwester und ihr Bruder gehörten, zog sie schließlich angelockt von romantischen Vorstellungen, Folk-Rock und dem Sound der Byrds nach Kalifornien, wo sie schnell Teil der Szene um Clubs wie Doug Weston’s Troubadour in Los Angeles wurde und schließlich mit Bobby Kimmel und Kenny Edwards das Folk-Trio The Stone Poneys gründete. „The whole scene was stilll very sweet and innocent at this time“, erinnerte sie sich später in einem Interview mit Barney Hoskyns. „It was all about sitting around in little embroidered dresses and listening to Elizabethan folk ballads, and that’s how I thought it was always going to be!“ Zu diesem Zeitpunkt hatte Ronstadt bereits Bekantschaft mit einer ganzen Reihe späterer Freunde, Wegbegleiter und Kollegen gemacht – J.D. Souther, Jackson Browne, The Buffalo Springfield, The Eagles, The Byrds, usw. The Stone Poneys waren mäßig erfolgreich und produzierten lediglich drei (gute) Alben für Capitol, wobei ihre letzte LP mit dem bezeichnenden Titel „Linda Ronstadt Stone Poneys And Friends“ nur noch wenig mit dem ursprünglichen Sound des Trios zu tun hatte und mit diversen Studio-Musikern entstand, da The Stone Poneys zu diesem Zeitpunkt faktisch nicht mehr existierten. Ronstadt wählte ihr Songmaterial schon damals mit einem beeindruckenden Gespür für Qualität aus (u.a. wurden für dieses letzte Album Songs von Laura Nyro und Tim Buckley eingespielt), auch wenn sie den einzigen kleinen Hit der Stone Poneys, Michael Nesmiths „Different Drum“ nach eigenem Bekunden bis heute nicht mag und am liebsten nie aufgenommen hätte.
Nach dem Ende der Poneys machte Ronstadt schließlich solo weiter, um nach einigen guten bis exzellenten, kommerziell aber weitgehend erfolglosen Alben für Capitol („Hand Sown, Home Grown“, „Silk Purse“ und „Linda Ronstadt“) schließlich einen Vertrag bei David Geffens frisch gegründetem Ayslum-Label zu unterschreiben. Jackson Browne spielte eine nicht unwesentliche Rolle bei Ronstadts Label-Wechsel, während Geffen, eine im Business höchst umstrittene Persönlichkeit, behauptet, ihre Fähigkeiten schon zu Stone Poneys-Tagen erkannt zu haben und mit Künstlern wie Jackson Browne, The Eagles, Joni Mitchell, Bob Dylan, Tom Waits und J.D. Souther maßgebliche Veränderungen in der kalifornischen Musikwelt der frühen siebziger Jahre eingeleitet hatte – for better or worse. Die Session zu Ronstadts exzellentem Asylum-Debut „Don’t Cry Now“ getalteten sich nicht nur langwierig, sondern auch kompliziert, was unter anderem an Ronstadts Beziehung zu dem Songwriter und Produzenten J.D. Souther lag und eine professionelle Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben nahezu unmöglich machte. Schließlich schlug Geffen vor, Hilfe bei John Boylan zu suchen, der bereits das Album „Linda Ronstadt“ produziert hatte und bei eingen Tracks half um letztendlich Peter Asher, ehemaliges Mitglied des engischen Duos Peter & Gordon ins Boot zu holen. Eine weitreichende Enstcheidung, denn hiermit begann eine extrem fruchtbare und vor allem erfolgreiche Zusammenarbeit, die zwar Ronstadts Zusammenarbeit und private Verbindung mit J.D. Souther beendete, sie aber gleichzeit mit zunehmendem Pop-Appeal in höchste Chartregionen katapultierte und die „Queen of L.A.“ zu einer international gefragten und hochdotierten Künstlerin machte.
„Don’t Cry Now“, das erste Ergebnis dieser Kooperation, ist tiefer im Pop verwurzelt als jedes der zuvor veröffentlichten Alben und fußt auf ausschließlich sehr guten bis exzellenten Songs, die unter anderem von J.D. Souther („Don’t Cry Now, „I Can Almost see It“, „The Fast One“), Neil Young („I Believe In You“) und den „Eagles“ Glenn Frey und Don Henley (Desperado) stammen, die Ronstadt bereits als Backing Band unterstützt hatten. Lediglich die Auswahl eines bitterbösen Songs wie „Sail Away“ von Randy Newman erscheint ein wenig unglücklich, da hier Inhalt und Vortrag einen unmöglich gewollten Gegensatz bilden. Dennoch schafft es Ronstadt, die sich immer als Song-Interpret, nie als Songwriter betätigte, meist den von ihr vorgetragenen Songs eine neue Seite hinzuzufügen und nicht nur nachzusingen, zu „covern“. Es mag sicherlich Hörer geben, die den etwas weniger glatten Sound der ersten Alben bevorzugen, aber Ronstadt klingt auf „Don’t Cry Now“ selbstsicherer. Ein neu gewonnenes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten an der Seite großartiger Musiker wie Spooner Oldham, Sneaky Pete und Larry Carlton scheint sich wie ein roter Faden durch das äusserst stimmige, kompakte Album zu ziehen und die Aufnahmen gewinnen dadurch deutlich, denn wenn Linda Ronstadt in den frühen Jahren etwas ausgebremst hatte, dann war es der unbegründete Zweifel am eigenen Talent und die Angst im direkten Vergleich mit anderen Künstlern schlecht abzuschneiden. Peter Asher nahm ihr nach eigener Aussage diese Angst und behandelte sie im Studio wie einen gleichberechtigten Partner. Zu jener Zeit, als Frauen nicht selten als hübsche Ornamente ohne nennenswerte Substanz gesehen wurden, keine Selbstverständlichkeit.
Ich bin erst sehr spät zu Linda Ronstadt gekommen, was zum eine daran liegt, dass ich früher nur Tracks wie „Dreams To Dream“ oder „Don’t Know Much“ kannte, die bis heute nicht gerade zu meine Favoriten gehören und Ronstadt natürlich das imaginäre „Uncool!“-Siegel trug, das mich von ihr ebenso fernhielt wie von vielen Musikern aus ihrem Wirkungskreis wie den Eagles, Jackson Browne oder James Taylor. Inzwischen schätze ich Ronstadt wegen ihrer auch heute noch großartigen, klaren Stimme, ihrer unglaublichen Sicherheit und Authenzität in unterschiedlichsten musikalischen Gebieten (manche Kritiker bezeichnen sie verächtlich als „Genre-Hopper“) und die fast immer exzellente, wenn auch leider nicht immer passende Auswahl ihres Songmaterials.
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