Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › John Coltrane › Re: John Coltrane
otis
Nach meiner sicher nur sehr randständigen Beobachtung wird hier in das Spiel von Miles, Trane und anderen etwas hineingeheimnist, was von diesen in dieser Form kaum bewusst intendiert war. Sie wollten die Auflösung und Abkehr von der Funktionsharmonie, keine Frage. Was sie schließlich daraus gemacht haben und wie, da kann man sicher viel analysieren, aber letztlich kommt es doch auf den Hörer an, den der Musiker mit auf die musikalische Reise nimmt, ohne theoretischen Ballast.
aus meiner Sicht liegt ein großer Teil von Ornette Colemans, Mingus, Coltranes und Davis (sehr unterschiedlichen) Leistungen in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre darin, dass sie es schafften die Speerspitze des Fortschritts im Jazz den „Akademikern“ zu entreißen… bei Coltrane ist ja bekannt, dass er diese ganzen Tonleiternenzyklopädien mehr oder weniger verschlungen hat… dass er es geschafft hat, auf dieser Basis Musik von zu solcher Intensität und Schönheit zu kommen, ist eine Leistung, die man wahrscheinlich einfach vom „Schwierigkeitsgrad“ her kaum übertreffen kann… also, das ist absolut kein naheliegender Weg in den Free Jazz (oder in seine Nähe)… klar funktioniert die Musik auch ohne die Theorie dahinter – das ist mit das erstaunlichste an ihr… es ist wohl auch nicht sehr gewagt, zu behaupten, dass er nach Parker derjenige war, der die Sprache der Jazzimprovisation am stärksten verändert hat…
auch bei Miles (und Mingus) kann man die Einflüsse von George Russell, Third Stream eben der kalten Avantgarde der 50er… deutlich sehen… ist ja auch kein Zufall, dass noch bis in die siebziger Jahre die vielleicht wichtigsten Denker/Arrangeure/Produzenten an Miles Seite, Teo Macero und Gil Evans, hier ihre Wurzeln hatten… aber Miles und Mingus haben aus meiner Sicht die Sprache des Jazz nicht in vergleichbarem Maße weiterentwickelt, kann es nicht gut beschreiben, sie haben nur „scharf hingeguckt“ die Schwächen erkannt und dann das weiterentwickelt und mit Hard Bop und anderem angereichert, was sich anzureichern lohnte (bei Miles meine ich hier zum einen die Alben mit Evans, auf denen die Third Stream Spuren ja ziemlich offen liegen, es gibt John Carisi Kompositionen, das Concierto de…, zum anderen Kind of Blue und die Entwicklung des modalen Jazz, zwei extrem sichere Griffe in benachbarte Schubladen; bei Mingus ist die Entwicklung weg vom Third Stream wohl kontinuierlicher… Blue Moods, gewissermaßen den Ausgangspunkt dieser Entwicklung, zu hören, fand ich gestern ziemlich instruktiv)(ähnlicher Fall von scharfem Hingucken und Mitnehmen ist die Art wie sie Sidemen ausgewählt haben und dann das maximale aus ihnen herausgeholt haben…)
Generell haben die beiden ja auch mehr den Rahmen, in dem gesprochen wird, weiterentwickelt und nicht die Sprache, haben die Jazzmusiker wachgerüttelt, nicht nur ihre Soli im Auge zu haben, sondern mehr das große Ganze…, das hat zur Folge, dass sie unter den ersten waren, die „echte Alben“ aufgenommen haben, (diese Kunst im Jazz entwickelt haben) dass ihre Bands fantastisch klangen, dass die Musik mehr war als eine Ansammlung von persönlichen Statements, sondern atmosphärisch geschlossener daherkam… )(bzw, nur da eine Ansammlung von persönlichen Statements ist, wo sie es sein soll… s. Kind of Blue) (für all das kann man wohl wiederum die Wurzeln bei Ellington suchen… und es ist interessant zu hören, dass Mingus in den 40ern vor seiner Third Stream Phase offenbar versuchte der Ellington der Westküste zu werden…)(anders gesagt: die These, dass sie mit diesen Dingen die absoluten Pioniere waren ist sicherlich nicht haltbar… sie waren bloß in einem entscheidenden Moment überragend gut darin…)
um die Senfsoße zu schließen… Ornette Coleman hat gezeigt, wieviel von der Intensität Charlie Parkers man erreichen kann, ohne die ganze Theorie im Rücken zu haben, dass Parker die Theorie gebraucht haben mag, um dorthin zu kommen, wohin er kam, dass sich aber im Nachhinein vieles wieder entfernen lässt… um Mingus zu zitieren
„Now aside from the fact that I doubt he can even play a C scale in whole notes—tied whole notes, a couple of bars apiece—in tune, the fact remains that his notes and lines are so fresh. So when Symphony Sid played his record, it made everything else he was playing, even my own record that he played, sound terrible. “ (von hier)
--
.